Mutter von Leo verliert die Kontrolle

Während Gutachter von den Verletztungen des Babys berichten, weint die Mutter und versucht, den 26-jährigen Vater zu attackieren.

Mutter von Leo verliert die Kontrolle
Foto: dpa

Den Vortrag des Düsseldorfer Arztes für Radiologie hatte die 25-jährige Angeklagte am vierten Prozesstag gestern im Schwurgerichtssaal des Mönchengladbacher Landgerichts zunächst mit hochrotem Kopf verfolgt. Im Laufe des Gerichtstermins wurde detailliert berichtet, wie brutal der Vater Leo, der an seinem 19. Lebenstag starb, quälte. Die Mutter des Opfers brach in Tränen aus, schrie und versuchte, ihren Mann körperlich zu attackieren. Sie sprang auf, doch Justizwachmeister verhinderten den Übergriff. Sie zogen den Vater des Jungen von der Anklagebank und führten ihn kurzzeitig ins Treppenhaus, das zur Zelle führt. Der Mutter wirft die Staatsanwältin Totschlag durch Unterlassen vor. Der 26 Jahre alte Vater, der bereits zu Prozessbeginn zugegeben hatte, den Tod des Kindes nach schweren Misshandlungen verursacht zu haben, ist wegen Mordes angeklagt.

Leos Mutter soll sich in der Tatnacht zum 21. Oktober 2015 schlafend gestellt haben, obwohl sie die Schreie des misshandelten Kindes gehört haben soll. Als der Radiologe in seinem Gutachten gestern die zahlreichen Hämatome und die deutlichen Gewalteinwirkungen des Angeklagten auf den Hinterkopf des Kindes detailliert beschrieb, brach die Mitangeklagte in lautes Weinen aus. Der Schwurgerichtsvorsitzende ordnete eine Pause an. Die 25-Jährige sollte sich beruhigen.

Doch dann folgte das Gutachten eines Rechtsmediziners: Wieder war die Rede von Kopfverletzungen des Babys, die die Kripo in den Ermittlungen stutzig gemacht hatten. Der Rechtsmediziner sprach gestern im Gerichtssaal von einem Schütteltrauma, das der kleine Leo erlitten hatte. „Er ist irgendwo dagegen geprallt“, hieß es im Gutachten.

Der Angeklagte hatte in seinem Geständnis zugegeben, das Kind mit dem Kopf mehrfach auf eine Tischkante geschlagen zu haben. Außerdem soll sich der Vater auf den kleinen Körper gesetzt haben. Das „Draufsetzen“ sei nicht tödlich gewesen, so der Sachverständige. „Aber die Verletzung an der Oberlippe ist nicht frisch“, war sich der Rechtsmediziner in seinem Gutachten sicher. „An dem kleinen Leo sind wiederholte Gewalteinwirkungen festzustellen“, so der Gutachter.

Das hatte er kaum ausgesprochen, als die Angeklagte wieder in Schreie ausbrach. „So geht das nicht“, machte der Kammervorsitzende Lothar Beckers der 25-Jährigen klar. Die Mutter des kleinen Leo versprach: „Ich will mich ja beherrschen.“ „Zwingen Sie mich nicht, Ihnen Handschellen anlegen zu lassen“, mahnte der Vorsitzende des Schwurgerichts.

Die Angeklagte hielt daraufhin ihr Versprechen, hielt sich eine Hand vor den Mund und verfolgte den Prozess von da an nur noch leise stöhnend. Eine psychologische Gutachterin hatte mit Tests die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Angeklagten geprüft und dem 26-Jährigen dabei einen unterdurchschnittlichen Intelligenzquotienten attestiert. Außerdem sei der Angeklagte, der den Prozess gestern mit gesenktem Kopf verfolgte, überdurchschnittlich erregbar und auffallend aggressiv, so die Diplom-Psychologin. Bei dem 26-Jährigen hatte die Gutachterin auch den dringenden Wunsch nach Selbstdarstellung festgestellt.

Der Mordprozess wird am 23. Mai mit einem Gutachten und weiteren Zeugen fortgesetzt.

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