Lürriperin erfindet in Chile das Müsli neu

Birgit Steinmeyer wanderte der Liebe wegen vor 16 Jahren aus und betreibt dort nun ein kleines Familienunternehmen.

Mönchengladbach. Sesam oder Puffreis sind keine ungewöhnlichen Zutaten für Müsliriegel. Chia, Quinoa und Maca schon. Samen oder Wurzeln der südamerikanischen Pflanzen werden in den Riegeln verarbeitet, die der Familienbetrieb von Birgit Steinmeyer in Chile als erste auf den Markt brachte.

Mittlerweile baut sie mit ihrem Lebensgefährten Alejandro Ulloa auf ihrem Grundstück in Lampa viele der Pflanzen für ihre Produktion an, zum Beispiel das in ihrer Region ansonsten recht selten kultivierte Amarant. "Ich habe nie etwas mit Landwirtschaft oder Gartenbau zu tun gehabt", sagt die 44-Jährige mit Blick auf die ungewöhnliche Wendung in ihrem Leben.

Um ihren Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen, in einem Land, in dem der Mindestlohn bei umgerechnet 230 Euro liegt, suchten sie und Alejandro Ulloa neue Wege. "Die Familie wuchs und auch die Verantwortung", sagt sie zusammenfassend über teure Privatschulen und ein staatliches Gesundheitssystem, bei dem man schnell ruiniert sein kann, wenn man krank wird.

Vor 16 Jahren wanderte Steinmeyer, die in Lürrip aufwuchs, dort und am Geroweiher zur Schule ging und eine Ausbildung zur Krankenschwester im Bethesda machte, der Liebe wegen nach Chile aus: mit einem Peruaner, der in Gladbach studierte, hier aber keine Arbeit fand. Sie lebte in Santiago de Chile, wurde Mutter von drei Söhnen, arbeitete bei deutschen Firmen wie Bayer und dem Wäschehersteller Schiesser und als Kindergärtnerin. Nach der Scheidung traf sie vor sechs Jahren ihre neue Liebe Alejandro Ulloa, ein im Exil, genauer in Siegen, aufgewachsener Chilene, mit dem sie eine gemeinsame Tochter(4) hat.

Zwar als Sohn von Chilenen, aber in Kuba geboren und in Deutschland aufgewachsen, hatte Ulloa in Chile nicht, wie sein Vater, Medizin studieren können. Man hielt ihn für einen Kommunisten. Nur eine Privatschule nahm ihn auf. Er wurde Agronom, arbeitete jedoch zunächst bei deutschen Firmen in Chile.

Bis 2005, als die beiden zunächst mühsam mit Marmeladen, Gelees und Chutneys, später sehr erfolgreich mit Lebkuchenhäusern und Plätzchen - zum Beispiel Caipirinha-Keksen - auf den Markt kamen. "Der Gebrauch von Wörtern wie Torta und Kuchen zeugt vom guten Ruf der Küche der eingewanderten Deutschen", sagt Steinmeyer.

Genau aus diesem Grund wurde schnell statt ihres Lebensgefährten die "Gringa loca" (die verrückte Ausländerin) die Türöffnerin für die Geschäfte der Familie. Seitdem sind u.a. Müsli und gewürzte Sonnenblumenkerne hinzugekommen. Derzeit tourt Steinmeyer mit ihren Produkten und denen anderer Kleinbetriebe wie Weingelee, Honigessig, Chilisoßen und gewürztem Meersalz durch Deutschland.

Noch 2009 will sie in Gladbach eine Importfirma für chilenische Produkte eröffnen. Der Markt in Chile ist begrenzt. Nur etwa zehn Prozent der Chilenen können sich mehr als die Grundlebensmittel leisten.

Trotz des geplanten neuen Standbeins in Gladbach will Steinmeyer mit der Familie erst mal in Chile bleiben. Ihre Welt ist zerrissen: Sie in Deutschland aufgewachsen, die Kinder in Chile. Ihr gefällt es in Chile, sie liebt die Kultur, aber sie und Ulloa haben "eine deutsche Mentalität". "Und ich bin in einem Alter, in dem ich die Verhältnisse in Deutschland mehr zu schätzen weiß." Zu planen sei aber schwierig. "Man muss flexibel sein. Wo die Arbeit ist, sind die Menschen."

Am Leben in Deutschland versucht sie so viel wie möglich teilzunehmen. Das Internet hilft. Nach dem Veilchendienstagszug hat sie dort für die schönste Fußgruppe abgestimmt. Ulloa bekommt noch die Einladungen fürs Feuerwehrfest in Siegen. Und wenn die Sehnsucht nach deutschem Schoko-Aufstrich groß ist, fahren sie kilometerweit zum Laden für deutsche Einwanderer.

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