Kritik: Finanzärger für Zornröschen

Der Verein will missbrauchten Kindern helfen und kämpft stattdessen langwierig mit Abrechnungen. Ein runder Tisch fordert deshalb eine andere Finanzierung der Beratung.

Mönchengladbach. Sie machen keinen Unterschied. „Egal, woher der Anruf kommt, wir geben Auskunft“, sagt Sigrid Mattausch, Sozialarbeiterin bei Zornröschen, einem Verein gegen sexuellen Missbrauch von Jungen und Mädchen in Mönchengladbach. Hier liefen im vergangenen Jahr 506 Erstanfragen zu dem Thema auf.

Mehr als die Hälfte davon kam aus Mönchengladbach, wo der Verein seinen Sitz hat. 42 Prozent der Erstanfragen kamen jedoch aus den Kreisen Viersen und Heinsberg. Und daraus ergeben sich für Zornröschen immer wieder Probleme bei der Abrechnung.

Um seine Beratung von Kindern, Eltern, Lehrern oder anderen Menschen, die mit Missbrauch konfrontiert sind zu finanzieren, muss der Verein seine Fachleistungsstunden mit den Städten beziehungsweise Kreisen abrechnen. Die Zusammenarbeit mit der Mönchengladbacher Stadtverwaltung läuft dabei unproblematisch. Für die Erstberatung gibt es hier sogar eine Pauschale.

Doch wenn die Jugendämter aus den Kreisen Heinsberg und Viersen solche Fachleistungsstunden übernehmen sollen, dann stimmen sie dem Antrag des Vereins Zornröschen nur zu, wenn beide Elternteile unterschrieben haben. „Das gibt dann schon mal Probleme“, sagt Mattausch, „wenn beispielsweise der Vater der Missbraucher ist. Oder wenn die Eltern über diese Schiene ihren Rosenkrieg ausfechten.“ Deshalb kann der — meist anonyme — Erstkontakt dann mit diesen Jugendämtern nicht abgerechnet werden.

Trotzdem lässt der Verein Zornröschen die Betroffenen nicht allein. „Wir beraten auch dann weiter, wenn der Antrag nicht bewillig wird“, sagt Mattausch. „Das ist unsere Aufgabe, und das finanzieren wir mit Hilfe unserer Spender“, sagt Jürgen Schell vom Vereinsvorstand. Das Spenden-Aufkommen beträgt jährlich im Schnitt 150 000 Euro.

Die finanzielle Unsicherheit der Beratungsstellen soll es nach dem Willen eines runden Tischs nicht mehr geben. Die Gruppe mit dem langen Namen „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ hat seit Anfang 2010 auch dieses Abrechnungs-Problem betrachtet. Doch ein Abschlussbericht nach fast zwei Jahren zeigt: Es gibt in diesem Bereich in vielen Gebieten deutliche Versorgungslücken. Deshalb fordert der runde Tisch eine Regelfinanzierung der spezialisierten Fachstellen.

Damit aber mehr Geld aus öffentlicher Hand kommt, wird wohl ein entsprechendes Gesetz notwendig sein, meinen sowohl Mattausch als auch Schell. „Und der Bund muss Mittel bereitstellen.“

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