Komasaufen: Mit 12 Jahren bewusstlos getrunken

Immer mehr Jugendliche erleiden eine Alkoholvergiftung. Viele sind erst zehn bis 15 Jahre alt.

Komasaufen: Mit 12 Jahren bewusstlos getrunken
Foto: Archiv

Mönchengladbach. Immer mehr Kinder und Jugendliche müssen wegen einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden — und setzen sich mit ihrem exzessivem Alkoholkonsum einer unterschätzten Gefahr aus, sagt Rettungssanitäter René Hartmann. „Eine schwerwiegende Alkoholvergiftung kann Bewusstlosigkeit zur Folge haben. Wenn der Betroffene sich dann übergeben muss, besteht akute Lebensgefahr durch Erstickungstod.“

Komasaufen: Mit 12 Jahren bewusstlos getrunken
Foto: Detlef Ilgner

An den Alkohol zu kommen, ist anscheinend selten ein Problem (siehe Kasten). 94 Mönchengladbacher unter 20 Jahren kamen allein im Jahr 2012 wegen einer Alkoholvergiftung in ein Hospital. Das waren 5,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor, nennt die Krankenkasse DAK-Gesundheit die aktuellen Zahlen. 19 der im Krankenhaus Behandelten waren erst zehn bis 15 Jahre alt.

Dass die Zahl der Fälle des sogenannten „Komasaufens“ bei Jugendlichen zunimmt, hat auch der Gladbacher René Hartmann festgestellt. Seit fünf Jahren ist er Rettungssanitäter beim DRK. „Die Tendenz ist leider steigend. Und da sind immer jüngere Kinder dabei. Meine jüngste Patientin war zwölf Jahre alt. Einmal mussten wir bei einer Zeltveranstaltung gleich sechs Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahre versorgen und in Krankenhäuser bringen“, erzählt der 25-Jährige. Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen habe er nicht festgestellt.

Gerade Kinder sind besonders gefährdet. Wegen ihres geringen Gewichts dringt der Alkohol schneller in die Blutbahn. Auch ist die Leber, die das Gift abbauen soll, noch nicht so leistungsfähig, erklärt der Experte.

Lebensgefahr besteht aber nicht nur durch Erstickung, sondern auch durch Verletzungen. „An Silvester mussten wir einmal eine 16-Jährige behandeln. Sie war infolge von zu viel Alkohol bewusstlos geworden und ist mit dem Kopf auf eine Steinkante gefallen. Sie erlitt eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung, das war schon sehr kritisch“, schildert Hartmann.

Verstorben sei bei seinen Alkohol-Einsätzen aber zum Glück noch niemand. Unterschiedlich fallen die Reaktionen bei den Jugendlichen aus. Freunde der im Krankenwagen Behandelten weinen manchmal, machen sich zum Teil aber auch lustig, berichtet Hartmann aus Erfahrung. Er selbst sei häufig fassungslos.

Mit den Patienten können sich die Retter meist nur medizinisch befassen, wenig auf sie einreden. „Sie sind kaum oder nicht aufnahmefähig. Wir sind froh, wenn sie Schmerzreflexe wahrnehmen. In den Krankenhäusern finden Ärzte und Schwestern aber deutliche Worte.“

Zu bestimmten Veranstaltungen — Karneval, Schützenfeste, Silvester, Tanz in den Mai — häufen sich die Vorfälle. „Aber auch Einsätze in der Altstadt nehmen zu“, sagt Hartmann. Dann sei die Gefahr noch größer, da im Gegensatz zu öffentlichen Veranstaltungen der Krankenwagen zwar schnell, aber nicht sofort vor Ort ist. „Jeder kann nach einem Notruf auch selbst helfen: Puls und Atmung fühlen, den Betroffenen in die stabile Seitenlage legen, damit die Atemwege frei bleiben, die Person vor Auskühlung schützen“, nennt Hartmann Maßnahmen: „Leider greifen Passanten zu selten ein.“

Generell wünscht er sich eine breitere Diskussion über die Gefahren. „Man muss ein Problembewusstsein schaffen, darüber reden, auch gezielt in Schulen und durch die Eltern.“

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