Katja Oemmelen: Sport gibt wieder Lebensmut

Katja Oemmelen (29) erlitt mit fünf Jahren ein Hirn-Trauma und war seitdem gelähmt. Heute fährt sie Marathons.

Mönchengladbach. "Es gab Zeiten, da wollte ich lieber sterben, als im Rollstuhl sitzen." Inzwischen sagt Katja Oemmelen das ziemlich gelassen. Die 29-jährige Frau hat ein Schicksal, bei dessen Schilderung andere Verständnis für ihre Zweifel am Leben bekommen. Als Fünfjährige traf Oemmelen ein schwerer Schlag. An ihrem Geburtstag wurde sie auf dem Rückweg vom Kindergarten von einem Auto angefahren und erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.

Ein Jahr lang dauerte es, bis sie wieder laufen lernte, ihre Sprache war verzögert, eine linksbetonte Spastik in Arm und Bein blieb. In der Krefelder Montessori-Schule, die auch behinderte Kinder integriert, wurde sie gefördert und entwickelte sich zu einer sehr guten Schülerin. "Ich hatte einen Notenschnitt von 1,9", sagt sie. Das Montessori-Motto begleitet sie noch heute: "Hilf mir, es selbst zu tun."

Doch im Jahr 2006 zeigte sich infolge ihres Traumas eine Dystonie. Ihre Zehen verkrümmten sich und ließen sich nicht mehr strecken, die Füße drehten sich nach innen, die Knie und die Hüfte versteiften.

Es blieb nur noch eine Operation, bei der die Sehnen gekappt werden mussten. Seitdem ist sie bis hinauf in den Brustbereich gefühllos. "Wenn mich jemand piekt, fühle ich da nichts", beschreibt sie den Zustand. "Querschnittslähmung" lautete die unbarmherzige Diagnose.

Der Lebensmut verließ die junge Frau. Der Umschwung kam für sie, als sie Renn-Biker bei den Paralympics im Fernsehen verfolgte. "Da habe ich gesehen, dass ich doch noch was auf die Beine stellen kann", sagt sie, "dass Rollstuhl und Hilflosigkeit nicht das Gleiche sind."

Seit einem Dreivierteljahr hat sie sich nun dem Sport verschrieben. "Früher, in der Schule, habe ich Sport gehasst", erinnert sie sich. Besonders, weil sie sich nie mit den anderen Kindern messen konnte. Beim Behindertensport wird die Leistung zum Grad der Behinderung in Relation gesetzt. "Jetzt gehe ich darin auf. Das ist Adrenalin-Kick pur."

In der Behinderten-Sportgemeinschaft Mönchengladbach wird sie von Herbert van Dam trainiert. Inzwischen hat sie zwei Rennen absolviert und gut abgeschnitten. Anfang Mai war sie für den Halbmarathon in Mainz gemeldet, am 30. Mai wird sie in Duisburg ihren Marathon fahren.

"Sie ist unheimlich ehrgeizig", sagt van Dam über sie. "Sie wird noch lernen, die Erholungsphasen einzuhalten. Momentan will sie noch mit dem Kopf durch die Wand, aber das ist am Anfang normal." Inzwischen hat Katja auch den Triathlon im Fokus.

Vier bis fünfmal in der Woche geht sie ins Fitness-Studio. "Die Power, die ich mir da hole, bringt mir eine Wahnsinns Lebensqualität." Schließlich seien für sie ganz alltägliche Dinge wie Anziehen oder ein Gang zur Toilette ein Kraftakt.

Ihr Ziel ist ein Mobilitäts-Kurs, der zusätzliches Know-how vermittelt. "Ich will von Krankheit nichts mehr wissen", sagt sie entschieden. Früher habe sie ihren Zustand gehasst, "jetzt gehört er einfach zu mir".

Später will sie noch den Führerschein machen. Bisher leisten ihre Eltern, Josef und Hilde Oemmelen, die Fahrdienste. "Das tun wir gern. Sie hat sich so gut entwickelt mit dem Sport", sagt ihr Vater erleichtert. Auch das Rennbike zu einem Preis von rund 6000 Euro hat die Familie selbst bezahlt.

"Im Laufe der Zeit haben wir unser ganzes Haus umkrempeln lassen", sagt Hutter Hilde. "Die Kosten hatten ganz andere Dimensionen als für so ein Rennbike, und die gesetzlich festgelegte Unterstützung ist mager."

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