Jugendamt meldet sich nicht

Nur den Anrufbeantworter erreiche man bei der wichtigen Einrichtung, sagt Familienrichter Walter Röchling.

Mönchengladbach. Es sind die Extremfälle, die ihn jeden Tag beschäftigen. Verwarloste Kinder und hoffnungslos überforderte Eltern. Professor Walter Röchling ist Richter am Familiengericht in Rheydt. Er setzt sich für die ein, die zu schwach sind, um sich selbst zu wehren.

Oft ist das Jugendamt der Stadt da für ihn der erste Ansprechpartner. Dort kennt man die Vorgeschichte, dort laufen die ersten Maßnahmen, wie Hilfen zur Erziehung oder die Jugendarbeit.

Vor allem nach den Vorgängen in Speick, wo eine Jugendbande, wie die WZ berichtete, eine 80-Jährige tagelang auf schrecklichste Art und Weise misshandelte, zeigt sich, wie wichtig eine enge Vernetzung aller an der Kindeserziehung beteiligten Stellen ist.

Doch genau auf dieser wichtigen Kommunikationsebene klemmt es oft - und das nicht unerheblich, wie Röchling (Foto) am Rande der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses sagte. Der Berufsrichter erhebt Vorwürfe gegen das Amt. "Es ist nicht möglich, beim Jugenamt die zuständigen Mitarbeiter zu kontaktieren, es läuft fast immer ein Anrufbeantworter. Das kann nicht im Sinne eines zügigen Informationsflusses sein" , so Walter Röchling.

Vorwürfe gegen das Jugendamt kommen auch aus einer anderen Richtung. Die Sprecherin der Grundschulen, Monika Jülicher, bestätigt, dass "es kaum möglich ist", beim Jugendamt jemanden zu erreichen. "Nach den Ferien kam ein Kind zwei Wochen lang nicht. Auch im Elternhaus meldete sich niemand", erzählt Jülicher gegenüber der WZ. Da habe man sich Sorgen gemacht und wollte das Jugendamt informieren. "Doch das war unmöglich."

Monika Jülicher betont, dass es ihr nicht darum gehe, jemanden zu kritisieren. "Was mir allein am Herzen liegt, ist das Wohl der Kinder - dem bin ich verpflichtet", sagt sie. Dieser Aufgabe könne sie jedoch kaum nachkommen, "wenn ich beim Jugendamt schlichtweg keinen erreiche".

Wie wichtig diese schnelle Erreichbarkeit ist, verdeutlicht Jülicher an einem Beispiel. "Wenn ich merke, dass Kinder verwahrlosen und die Eltern darauf anspreche, ziehen die kurzerhand in einen anderen Stadtbezirk, um sich umserem Einfluss zu entziehen." Auch darüber wollte Jülicher zuletzt das Jugendamt informieren - vergeblich.

Gleiche Erfahrungen machte ein Ehepaar aus Speick. Das hatte beobachtet, wie sich Kinder permanent zu Schulzeiten in der Wohnung aufhalten und aus dem Fenster urinieren - auch hier sei laut Richter Röchling der Anruf beim Jugendamt ergebnislos verlaufen.

"Ein Sorgen-Notfalltelefon beim Jugendamt würde ich begrüßen. Das ist wichtig, denn viele Mitbürger haben eine Hemmschwelle, auch in sozialen Notfällen, die Polizei anzurufen", fordert Walter Röchling.

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