In diesen Dingen steckt Heimat

Mülfort-Schüler nahmen an einem LVR-Projekt teil.

In diesen Dingen steckt Heimat
Foto: ilg

Castro hält einen Autoschlüssel in der Hand, Majid streckt die Faust mit einem Libanon-Armband nach vorn, Jennifer hat die rote Gebetskette ihrer Mutter dabei, Alex ein serbisch-orthodoxes Armband mit Kreuz. Mit diesen Gegenständen verbinden die vier Schüler des Berufskollegs Rheydt-Mülfort für Wirtschaft und Verwaltung Begriffe wie Heimat und Glaube.

Im Rahmen eines Projekts im Religionsunterricht haben sie und vierzehn weitere Schüler Antworten auf die Frage „Woran glaubst Du?“ gesucht. Herausgekommen ist eine spannende Ausstellung, die vielschichtige Erfahrungen und Empfindungen widerspiegelt. Begleitet wurde das Projekt vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte. „Das Rheinland ist geprägt von Zuwanderern“, erklärt Gabriele Dafft, die für das LVR-Institut das Projekt betreute. „Wir suchen nach dem modernen Heimatverständnis junger Leute.“ Der Schwerpunkt Religion macht den Ansatz des Berufskollegs noch einmal besonders.

Die 18 Teilnehmer haben Dinge ausgesucht, die sie mit Heimat und Glaube verbinden, haben sich vom Krefelder Fotografen Thomas Esser porträtieren lassen und ihre Geschichten zu den Gegenständen erzählt. Die Fotos und besonders prägnante Aussagen wurden auf Umzugskartons, die sich im Foyer des Berufskollegs stapeln, aufgebracht. Beschriftet sind die Kartons zusätzlich mit Begriffen wie Hoffnung, Zukunft oder Erziehung. Dass die Ausstellung tiefgründigere Einsichten vermittelt als man beim ersten Hinschauen vermutet, verdeutlicht Gabriele Dafft an einem Beispiel. „Der Autoschüssel, den Castro in der Hand hält, steht nicht als Symbol für eine Vergötzung des Autos“, sagt sie. „Für Castro bedeutet der Schlüssel vielmehr eine Zukunft mit offenen Türen.“

Die Familie von Alex kommt aus Serbien und er fühlt sich dort wohler als in Deutschland. „Immer, wenn wir nach Serbien fahren, mache ich das Armband um“, erläutert er. Zu Hause wird Serbisch gesprochen, aber es gibt eine Ausnahme: den Fußball. „Wenn mein Vater und ich über Fußball reden, sprechen wir automatisch Deutsch“, sagt er. Er ist Fan von Borussia Mönchengladbach, sein Vater Fan des 1. FC Köln. Majid kommt aus dem Libanon und er liebt das Land sehr, aber das Armband mit der Libanon-Aufschrift erinnert ihn sowohl an gute als auch an schlechte Zeiten: er hat dort einen Bombenanschlag erlebt. Jennifers Familie stammt auch aus Serbien: sie bringt stets die Gebetskette ihrer Mutter zu Klausuren mit. „Das hilft mir, Kraft zu tanken“, erklärt sie. Viele Stunden haben sich die Schüler mit ihren Vorstellungen von Heimat und Glaube auseinandergesetzt, begleitet von Gabriele Dafft, Fotograf Thomas Esser und ihrer Religionslehrerin Annette Banerjee. „Wir haben viel über uns selber gelernt bei diesem Projekt“, stellt Majid fest. Heimat sei vor allem ein Gefühl. Oder wie es die 15-jährige Jana formuliert: „Heimat ist nicht unbedingt da, wo man aufgewachsen ist, sondern da, wo man frei ist.“

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