Historischer Tiefstand bei Anzahl der Scheidungen

Im Jahr 2008 war Mönchengladbach noch Scheidungshochburg. Seitdem hat sich der Trend gedreht.

Die Zeit, in der Mönchengladbach bei Scheidungen weit und breit Spitzenreiter war, ist vorbei. Im Gegenteil: Seit 2008 geht die Zahl der Scheidungen zurück, und im vergangenen Jahr war der Rückgang in Mönchengladbach so deutlich wie in keiner anderen Kommune in Nordrhein-Westfalen. Die Zahl der Scheidungen sank um 23,7 Prozent auf noch 526. Landesweit betrug der Rückgang 1,7 Prozent. Betroffen von Scheidungen waren in der Stadt 477 minderjährige Kinder, wie aus Berechnungen des Statistischen Landesamtes it.NRW hervorgeht. Zwar ist auch die Zahl der Eheschließungen in dem Zeitraum gesunken, aber bei weitem nicht so deutlich wie die Zahl der Scheidungen.

Keine Frage, Gladbachs Ehepaare sind treuer als noch vor acht Jahren. Woran das liegt, darüber können Experten nur spekulieren: Die allgemeine Zufriedenheit wächst, die Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Frustration ist gesunken, auch die erfolgreiche Entwicklung Borussias und die damit verbundene Zufriedenheit könnten eine Rolle spielen — im Allgemeinen hat sich die Perspektive für viele Paare spürbar verbessert, Glück hat viele Gründe.

Regionaldekan Ulrich Clancett führt den Rückgang auch darauf zurück, dass die Paare heute wesentlich älter sind, wenn sie sich binden. „Wir haben früher oft von Kinderhochzeiten gesprochen, wenn ein 19-Jähriger eine 18-Jährige heiratete. Heute sind Hochzeiten von so jungen Menschen eher die Ausnahme. Wer jetzt heiratet, hat sich den Schritt in der Regel gewissenhaft überlegt und macht das nicht, weil Oma das will oder es zum guten Ton gehört“, sagt Clancett. Er hat festgestellt, dass sich Heiratswillige heute „wahnsinnig viele Gedanken“ machen, die Hochzeit und das gemeinsame Leben danach intensiv durchplanen. Clancett: „Diese Paare gehen dann nicht so schnell auseinander, weil Unwägbarkeiten bereits einkalkuliert sind.“

Der Wert der Ehe als Lebensgemeinschaft erfährt auch in anderer Hinsicht eine Renaissance. „Die Menschen suchen in einer Zeit, die von vielen Unsicherheiten geprägt ist, feste Ankerpunkte. Das ist vielfach der Partner in einer Ehe. Es gibt wieder eine Sehnsucht nach Geborgenheit“, sagt Clancett. Sein Kollege Klaus Hurtz bestätigt dies. „Viele Heiratswillige sind unsicher, was ihnen die Zukunft bringt. Umso dankbarer sind sie für die Sicherheit, die ihnen ein Partner bietet, der einen Halt in stürmischen Zeiten darstellt.“

Das bedeutet aber nicht, dass Paare nur noch glücklich sind. Kommt es zu einer Trennung (auch bei unverheirateten Paaren), dann eskaliert der Streit meist heftiger als früher, sagt Josef Lüke, Leiter des Beratungszentrums für Ehe- und Familienfragen in Mönchengladbach. Dort ist der Bedarf an Eheberatungen weiter konstant hoch. 37,4 Prozent aller Beratungsfälle waren dort Ehekrisen. „Viele Fälle sind kompliziert, gerade wenn es ums Kind geht“, sagt Lüke. „Oft sind geschiedene Eltern nicht an einer Lösung zum Wohl des Kindes interessiert, sondern wollen dem anderen zeigen, was eine Harke ist. Und die Kinder sitzen dann zwischen den Stühlen.“

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