Ein-Mann-Kapelle in Warteschleife

Die Baugenehmigung für die kleinste Kapelle am Niederrhein ist noch immer nicht da. Die Stadt sagt, Papiere würden fehlen.

Ein-Mann-Kapelle in Warteschleife
Foto: Bauch/Bassy

Das hat sich Karl-Heinz Bassy deutlich einfacher vorgestellt. Der Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Großheide plant den Bau einer Ein-Mann-Kapelle — eine Kapelle zum Mitnehmen. Bereits im vergangenen Jahr, passend zu Luthers Jubiläum, sollte die kleinste Kapelle am Niederrhein eröffnen und Menschen eine Auszeit vom Alltag ermöglichen. „Wenn Sie Ärger möchten, bauen Sie eine Kapelle“, sagt Bassy. „Wenn Sie großen Ärger möchten, bauen Sie eine möglichst kleine Kapelle.“

Die Pläne für die Mini-Kapelle in Großheide sind konkret: ein Rückzugsort auf 1,30 mal 1,30 Meter, im Innenteil ein festgeschraubter Sitz, ein Fenster mit buntem Glas. Die Unterlagen für das Projekt hat die Kirchengemeinde bereits am 24. Oktober 2017 an das Bauordnungsamt in Mönchengladbach geschickt. Aber eine Baugenehmigung ist auch Anfang des neuen Jahres nicht in Sicht.

„Uns wurde vom Amt Ende Oktober geraten, die kommenden vier Wochen keine Nachfragen zu stellen, damit die Bearbeitung schnell vorangeht“, sagt Bassy. Im November soll es dann die erste Rückmeldung von der Stadt gegeben haben: Die Kapelle müsste standfest im Boden stehen. Deswegen benötige es eine Betonplatte als Untergrund. „Ich muss das wieder an die Architekten weitergeben und in der Gemeindesitzung besprechen — es dauert und dauert“, sagt der Pfarrer.

Es würde dauern, weil die notwendigen Unterlagen für eine Baugenehmigung nicht vollständig sind, heißt es vonseiten der Stadt. „Am 7. Dezember hat die Gemeinde den Bescheid bekommen, dass die Eintragung des Baukonzepts in die Katasterkarte fehlt“, sagt Pressesprecher Wolfgang Speen. „Wir brauchen eine Verordnung des Objekts auf der Baufläche — sozusagen die genauen Koordinaten.“ Alle Unterlagen seien ordnungsgemäß geprüft worden — eine Skizze von der Kapelle allein reiche für eine Baugenehmigung eben nicht aus.

Dabei ist die Nachfrage nach dem kirchlichen Rückzugsort auf minimaler Fläche groß. Gläubige der Gemeinde, aber auch Menschen aus der Nachbarschaft fragen regelmäßig nach der Mini-Kapelle. „Erst vor ein paar Tagen wollte ein Mann unbedingt abends in die Kirche, die war aber schon abgeschlossen“, sagt Bassy. „Er hatte einen ruhigen Moment für sich haben wollen, weil ein guter Freund noch am selben Tag im Krankenhaus gestorben war.“

Die Idee zur Mini-Version kam dem Pfarrer beim Besuch eines Künstlerortes bei Bremen. Dort gibt es die „Kleinste Galerie von Worpswede“. Sie bietet Platz für einen Besucher, der genau ein Bild betrachten kann. Bassy war fasziniert von dem nur einen Quadratmeter kleinen Häuschen, vor dem sich regelmäßig eine lange Warteschlange bildete.

Die kleinste Kapelle am Niederrhein soll in keinem Fall an eine Blechhütte oder ein Dixie-Klo erinnern. Monatelang hat der Architekt Heinz Döhmen getüftelt und gezeichnet. In einer ersten Skizze war die Kapelle noch 4,60 Meter hoch — aber wer macht dann die Spinnenweben weg? Nun liegt die Höhe bei 2,25 Meter. Der Boden wird aus Kunststoff gefertigt, buntes Fensterglas soll Anonymität gewährleisten. „Die Kapelle ist konfessionsübergreifend konzipiert und steht jedem offen“, sagt Bassy. Abschließbar wird die Kapelle von innen nicht sein. „Wenn die Tür geschlossen ist, ist besetzt.“

Ein Gladbacher Künstler hat für die Kapelle bereits einen Quilt angefertigt und gespendet. Ansonsten soll das Design der Ein-Mann-Kapelle „schlicht und stilvoll“ sein. Einen Großteil der planmäßigen Baukosten ist bereits gedeckt, Spenden werden gerne noch entgegengenommen. Im Sommer hofft die Kirchengemeinde auf die Eröffnung.

„Ich habe einiges aus dieser Sache gelernt“, sagt der Pfarrer. „Das Bedürfnis für solch eine Kapelle ist da, der Aufwand für den Bau allerdings erschreckend. In den Augen der Gemeindevertreter drehen sich bereits Spiralen, wenn das Thema in der Presbyteriums-Sitzung auftaucht. Je kleiner der Raum, desto mehr Fehler kannst du machen“, sagt Bassy.

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