Lucien Favre: Ein Trainer, zwei Meinungen

Mönchengladbach (dpa) - In seinem Heimatland genießt er einen hervorragenden Ruf, in seiner Wahlheimat sind die Meinungen gespalten. Momentan ist Lucien Favre in Fußball-Deutschland wieder der „Wundermann“.

Der 53 Jahre alte Schweizer hat dem totgeglaubten fünfmaligen deutschen Meister Borussia Mönchengladbach im Bundesliga-Endspurt neues Leben eingehaucht (von den Relegationsspielen berichten wir live im Ticker). „Seine Arbeit ist für unseren Erfolg entscheidend. Er hat uns Selbstvertrauen gegeben“, lobte Mönchengladbachs Abwehr-Ass Dante den Coach.

Der zweifache Familienvater gilt als leise, aber sehr präzise arbeitend. „Er ist ein hervorragender Stratege und bekannt dafür, einer Mannschaft Struktur zu geben“, sagte Borussias Sportdirektor Max Eberl. Unter diesen Gesichtspunkten wurde Favre im Februar als Nachfolger von Michael Frontzeck auf der Trainerbank vorgestellt. Die aktive Karriere des Nationalspielers (24 Einsätze) war 1985 durch ein Foul von Pierre-Albert Chapuisat gestoppt worden. Der Vater von Ex-Stürmer Stéphane Chapuisat (Borussia Dortmund) musste Favre danach für dessen erlittene schwere Knieverletzung Schmerzensgeld bezahlen.

Auf dem Spielfeld einst ein kreativer Mittelfeldstratege, denkt und plant Favre an der Seitenlinie inzwischen langfristig. „Ein Konzept-Trainer - für schnelle Notoperationen weniger geeignet“, schrieb die „Neue Zürcher Zeitung“. Und die „Süddeutsche Zeitung“ attestierte dem oft schüchtern wirkenden 53-Jährigen, „nicht gerade als Spezialist für psychologisch knifflige Situationen bekannt zu sein“. In Mönchengladbach tritt Favre den Gegenbeweis an.

„Er ist von seinem taktischen Verständnis her einer der besten Trainer, die ich kennengelernt habe“, lobte Dieter Hoeneß. Der Manager hatte Favre im Sommer 2007 als fünften Eidgenossen nach Marcel Koller (1. FC Köln und VfL Bochum), Hanspeter Latour (1. FC Köln), Martin Andermatt (SSV Ulm) und Rolf Fringer (VfB Stuttgart) in die Bundesliga geholt und bei Hertha BSC mit einem langfristigen Vertrag ausgestattet. Doch die Ehe mit der „alten Dame“ hielt gerade zwei Jahre.

Anfangs wurde Favre in der Hauptstadt gefeiert - vor allem nach Platz vier im zweiten Jahr. Doch schon im dritten Jahr jagte man den Coach nach sechs sieglosen Spielen in Folge vom Hof. Ex-Hertha-Profi Marko Pantelic lästerte schon vorher: „Favre wird überbewertet.“

Was der Schweizer durchaus zu leisten imstande ist, wissen sie in seiner Heimat ganz genau. Dort kürten sie ihn viermal zum Trainer des Jahres (1999, 2001, 2006 und 2007). Als Spieler wurde Favre mit Servette Genf Meister (1985) und als Trainer Pokalsieger (2001). Mit dem FC Zürich triumphierte er im Pokal (2005) und der Meisterschaft (2006 und 2007) - der bisherige Höhepunkt seiner Trainerlaufbahn.

Während Favre in Berlin und später in Mönchengladbach als Wunschkandidat vorgestellt wurde, bekam er acht Jahre zuvor in Zürich nur einen Vertrag, weil der eigentlich vorgesehene Joachim Löw mit seiner Zusage zu lange gezögert hatte. Jahre später lobte der Bundestrainer im Interview mit der „Berliner Zeitung“: „Wo Favre war, hatte er Erfolg. Man muss ihn nur seine Ideen umsetzen lassen.“

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