WM-Serie Gladbachs Christoph Kramer: Der Weltmeister, der das Finale vergaß

Eine Geschichte für die Ewigkeit: Kometenhafter Aufstieg zum Nationalspieler, überraschende Nominierung für das WM-Finale und dann ein Zusammenprall, der alles vergessen macht - das sagt Christoph Kramer heute über den Sommer 2014.

WM-Serie: Gladbachs Christoph Kramer: Der Weltmeister, der das Finale vergaß
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Mönchengladbach. Die Gedanken an eine großartige Zeit werden ewig bleiben, die Erinnerungen an den Zusammenprall im WM-Finale sind für immer weg. „Die Szene kommt nicht wieder, auch bei den Feierlichkeiten habe ich Erinnerungslücken. Alles andere weiß ich noch“, sagt Christoph Kramer.

Die kuriose Verletzung, die Kramer vor vier Jahren im Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien schlagartig berühmt gemacht hat, ist für den heute 27-Jährigen nur noch eine Nebensache. „Diesen Sommer 2014, die WM als Ganzes, würde ich schon als schönste Zeit meines Lebens betiteln“, sagt der Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach.

Die ganze Aktion hat er erst später im TV gesehen. Der Zusammenprall in der 17. Minute mit Ezeqiuel Garay, dem argentinischen Abwehrspieler, hatte Folgen für Kramer: Gehirnerschütterung und eine kongrade Amnesie, die einen Gedächtnisverlust nur in direktem Bezug auf ein bestimmtes Ereignis bezeichnet und dieses komplett löscht. Legendär seine Frage an den italienischen Schiedsrichter Nicola Rizzoli, ob dies wirklich das WM-Finale sei. Für Kramer war es danach vorbei. Den Argentinier habe er seitdem nicht wiedergesehen, seinen weiteren Karriereweg aber verfolgt.

Seinem eigenen Werdegang und seinem speziellen Karrieresprung habe diese Geschichte nicht geschadet, meint Kramer. „Mit diesem Triumph und meiner Geschichte war das eine Zeit, die wie im Traum vergangen ist. Für mich war das ein Märchen, gar nicht richtig zu greifen. Man muss sich das mal vorstellen: 13 Monate vor dem WM-Finale habe ich mit dem VfL Bochum gegen den SV Sandhausen noch den Klassenerhalt in der 2. Liga perfekt gemacht.“

Kramer ist mit sich und der Blackout-Story, auf die er auch heute noch oft angesprochen wird, absolut im Reinen. „Das war eine wunderschöne Zeit, auf die ich sehr stolz und für die ich sehr dankbar bin. Ich möchte auch keine Sekunde missen von dem, was ich erlebt habe. Aber jetzt ist es auch irgendwie vorbei. Ich freue mich mit meinen 27 Jahren auch darauf, was in der Zukunft kommt.“

Ob es nach mehr als zwei Jahren irgendwann zu einem Comeback in der Nationalmannschaft kommt, ist für den Mittelfeldspieler nicht die wichtigste Frage. „Ich bin mit meinem Fußballer-Leben generell sehr zufrieden. Wenn ich mal nicht zum Kreis der Nationalmannschaft zähle, ist das verständlich und auch normal. Damit kann ich umgehen“, sagt Kramer. Schließlich sei die Konkurrenz auf seiner Position ja auch außergewöhnlich stark. „Da stehen Spieler von Real Madrid, Juventus Turin und Manchester City vor mir.“

Zudem ist die Saison für den Dauerläufer im Gladbacher Team auch nicht perfekt gelaufen. Kleinere Verletzungen zwangen ihn immer wieder zu Zwangspausen und unterbrachen den Rhythmus. Somit gab es bislang seit dem März 2016 keine Einladung mehr für die DFB-Auswahl. Nach dem WM-Finale kam Kramer ohnehin nur noch zu drei Kurzeinsätzen.

Für seinen langjährigen Trainer Lucien Favre war allein die Teilnahme Kramers an der WM schon Gold wert. „Er hatte viel mehr Selbstvertrauen und sprach viel mehr. Man sah das auch im Training, er kämpfte und wollte immer lernen. Spieler wie ihn haben Trainer gern“, sagte der frühere Gladbacher Trainer, unter dem der defensive Mittelfeldspieler den Sprung nach ganz oben schaffte.

In der Liga sorgte Kramer zuletzt mit spektakulären und nicht alltäglichen Aktionen wie im damaligen WM-Finale immer wieder mal für Furore: Einem kuriosen Eigentor in Dortmund, einem traumhaften Volleyschusstreffer in Hannover und zuletzt einem schlitzohrigen Freistoßtor gegen Wolfsburg.

Auch leichtere Verletzungen an Kopf und Schulter zu Saisonbeginn erinnerten gleich wieder an die Szene aus dem Endspiel. „Eigentlich bin ich gar nicht der Typ, dem immer solche Sachen passieren. Auch im Privatleben bin ich eher unscheinbar, das war auch als Kind so. Diese unglücklichen Zufälle haben sich eher im Erwachsenenleben ergeben.“

Der WM in Russland fiebert der Weltmeister von 2014 trotzdem entgegen - als Fan und in der Vorrunde als TV-Experte beim ZDF. Danach gibt's Gelegenheit, die WM im privaten Kreis zu sehen. „Ich freue mich auf die Spiele in großer geselliger Runde mit vielen Freunden beim Grillen. Wir schauen auch alle Spiele, nicht nur die deutschen. Das wird eine schöne Zeit.“

Keine Wehmut, kein Frust, nicht dabei zu sein? Bei der Nicht- Nominierung zur EM 2016 hat er sich noch gefragt, ob er die Spiele im Fernsehen als Fan - und diesmal auch als Experte - überhaupt verfolgen kann. „Ich habe mich dann total gefreut, die Spiele zu sehen. Ich liebe den Fußball einfach und schaue auch gerne in einer Runde, wo jeder seinen Senf dazugibt.“. dpa

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