Fußball-Historie: Neuville schreibt Geschichte

Albert Brülls war 1962 der erste WM-Fahrer von Borussia Mönchengladbach.

Mönchengladbach. Das ist schon bemerkenswert: Lira Bajramaj aus Mönchengladbach hat mit Anfang 20 bereits ein Buch über sich geschrieben ("Mein Tor ins Leben"), eine Biografie, in der Fußball eine wichtige, aber beileibe nicht entscheidende Rolle spielt. Denn die Fußballerin aus Giesenkirchen war den Kriegswirren des früheren Jugoslawien ausgeliefert, bevor ihre Familie floh - und die neue gewonnene Freiheit in Mönchengladbach schätzen gelernt hat.

Was wird die Gladbacher Spitzensportlerin, die seit dieser Saison für Turbine Potsdam spielt, erst zu berichten wissen, wenn 2011 die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen (26. Juni bis 17. Juli) - unter anderem mit drei Spielen im Borussia-Park - über die Bühne geht. Bahnt sich da etwa ein neues Sommermärchen an?

So weit ist es noch nicht: Erst einmal schreiben hoffentlich die Herren der Schöpfung wieder Geschichte, wenn ab 11. Juni kommenden Jahres die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika durchgeführt wird. Die Karten sind gemischt. So um die 40 Spieler kämpfen ums eines von 23 WM-Tickets.

Immerhin zwölf Fußball-Profis von Borussia Mönchengladbach gehörten seit 1934 zu den Auserwählten, die die schwarz-rot-goldenen Farben bei einer Weltmeisterschaft vertreten durften. Das Mitwirken ausländischen Akteure in Diensten Borussias, die für ihr jeweiliges Land WM-Meriten erwarben (wie Dahlin, Andersson oder Kasey Keller) ist ein anderes Kapitel.

Der letzte VfL-Profi, der sich von einer WM förmlich hat berauschen lassen und sie mit dem Nationalteam als Dritter und Bronze beendete, war Oliver Neuville. "Oliver hat die WM 2006 wie eine Lawine ins Rollen gebracht", sagt VfL-Vizepräsident Rainer Bonhof, Weltmeister von 1974, "das Tor gegen Polen im letzten Vorrundenspiel hat die Herzen der deutschen Fußballfans erst richtig geöffnet." Das deutsche Sommermärchen konnte beginnen.

Während Oliver Neuville ("2006 war mein intensivstes Länderspieljahr") in allen sechs Partien zum Einsatz kam und voller Stolz auf das Erreichte zurückblickt, war die WM vor gut drei Jahren für den zweiten Borussen damals, den 20-jährigen Marcell Jansen, ein "Schnupperkurs" - aber auch ohne Einsatzzeiten von bleibendem Wert. "Sie war einfach ein grandioses Erlebnis", betont der aus dem Gladbacher Stadtteil Lürrip stammende Linksfuß.

Drehen wir die Zeit zurück: Vor 2006 liefen die deutschen Spiele auf der Weltbühne des Fußballs lange Zeit ohne Gladbacher Beteiligung ab. Sowohl 2002, als auch 1998, 1994 und 1990 stand kein einziger Borusse im WM-Aufgebot der damaligen Verantwortungsträger Rudi Völler und Franz Beckenbauer (Teamchefs) sowie Trainer Berti Vogts. 1986 hatte Borussias Torjäger Uwe Rahn (heute 47) den Sprung nach Mexiko geschafft.

Als Gladbacher Blütezeit entpuppten sich die Jahre zwischen 1970 und 1982 - Borussen-Power pur, ausgelöst durch die WM-Teilnehmer Berti Vogts und Peter Dietrich (1970), Rainer Bonhof, Jupp Heynckes, Berti Vogts, Herbert Wimmer, Wolfgang Kleff (1974/WM-Titel), Bonhof und Voigts (1978) sowie Lothar Matthäus und Winnie Hannes (1982).

Begonnen hatte die Weltmeisterschaftsgeschichte Borussias 1962 in Chile mit dem unvergessenen Vollblut-Fußballer Albert Brülls, der auch vier Jahre später dabei war, aber im verlorenen WM-Finale im Wembley-Stadion gegen die Engländer von Bundestrainer Helmut Schön nicht berücksichtigt worden war.

Im deutschen Elitekader für Südafrika 2010 wird - das ist sicher - kein Borusse die Namensliste der Paradekicker zieren. Also heißt es warten bis 2014 oder 2018. Gut möglich, dass sich dann ein Spieler aus dem Fundus der Talente im Borussia-Park als Kandidat herauskristallisiert.

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