Favre — ein Mann für ein Wunder?

Der neue Trainer spricht von einer Chance auf den Klassenerhalt. Vor allem aber gilt er als Experte für einen Neuaufbau.

Mönchengladbach. Ein Schweizer Fußball-Philosoph soll Borussia Mönchengladbach vor dem dritten Abstieg nach 1999 und 2007 retten. Das klingt kühn, aber Lucién Favre stürzt sich mit viel Optimismus in dieses Abenteuer beim Fußball-Bundesligisten. „Wenn Du eine Möglichkeit hast, in Deutschland zu arbeiten, musst Du sie wahrnehmen“, sagt der Fußball-Lehrer und glaubt an die Chance, den Klub noch retten zu können. „Meine Vorfreude auf diese Aufgabe ist riesengroß.“

Bei jenem Klub, für den er in den 70er Jahren ebenso schwärmte wie für den FC Liverpool. „Ich habe die Erinnerungen im Kopf“, sagt der 53 Jahre alte Fußball-Lehrer. „Hennes Weisweiler habe ich später in der Schweiz kennengelernt. Er hat mich mal nominiert bei der Wahl zum besten Spieler in der Schweiz“, sagt Favre mit breitem Lächeln im Gesicht. Zuvor hatte er einen Vertrag bei der Borussia bis 2013 unterschrieben — mit Gültigkeit auch für die 2. Liga.

Favre und Borussia Mönchengladbach aber verbindet vor allem die Tatsache, dass es für beide die letzte Chance ist. Nach den Niederlagen gegen die direkten Abstiegskonkurrenten Stuttgart und St. Pauli ist Gladbachs Rückstand auf den retten 15. Platz auf sieben Punkte angestiegen. Bei noch zwölf ausstehenden Spielen muss Favre mindestens die Hälfte der Spiele gewinnen, um die Chance auf den Klassenerhalt wach zu halten.

Dabei ist Favre in Berlin nach einer tollen zweiten Saison und über Wochen an der Tabellenspitze vor allem daran gescheitert, kein Trainer für den Abstiegskampf zu sein. Nach einem missratenen Saisonstart mit sechs Niederlage wurde er am 28. September 2009 entlassen. Seither war er arbeitslos.

Weitergebildet habe er sich — und die Bundesliga verfolgt. „Ich weiß, wie jede Mannschaft spielt.“ Angesichts der prekären Situation lautet sein Credo: „Wir müssen sehr präzise arbeiten. Wir müssen Fehler sofort korrigieren.“ Dazu gehört auch die Zahl der Platzverweise. Mittlerweile sind es sieben. Igor de Camargo wurde für seinen versuchten Kopfstoß gegen St. Paulis Matthias Lehmann gestern nur für eine Spiel gesperrt.

Sportdirektor Max Eberl sieht in der Verpflichtung von Favre „die Fortsetzung unserer Strategie. Favre arbeitet mit jungen Spielern, kann Mannschaften formen und Strategien entwickeln.“ Als erstes muss Favre aber das größte Manko abstellen: die Gegentorflut. Ansonsten ist aller Optimismus schnell verflogen. Auch beim Fußball-Philosophen aus der Schweiz.

Favre gilt als gewiefter Taktiker — ein Stratege, kein Bauchmensch. Er besitzt eine natürliche Autorität, hält gerne Distanz. Er siezt die Profis, aber auch den Sportdirektor und alle im Umfeld. „So bin ich erzogen. Das ist eine Form der Höflichkeit.“ Seine Philosophie ist simpel: Arbeit, Präzision und Disziplin. Favre ist ein Perfektionist, der die Spieler an ihre Leistungsfähigkeit führt. „Meine Spieler müssen bereit sein, im Training zu leiden“, sagte er. Favre weckte den schlafenden Riesen Hertha BSC Berlin, spielte 2008 die beste Hinrunde der Vereinsgeschichte, sammelte 33 Punkte.

Aus bescheidenen finanziellen Mitteln ein taktisch geschultes Team zu entwickeln, ist seine Stärke. Gescheitert ist er bei Hertha auch, weil er sich mit Führungsspielern überworfen hatte: Marco Pantelic, Josip Simunic und Arne Friedrich. Nun muss der Schweizer sich mit ähnlich eigensinnigen Charakteren wie Juan Arango, Logan Bailly, Mo Idrissou oder Igor de Camargo arrangieren.

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