Der VfL und das Prinzip Hoffnung

Hans Meyer weiß, worauf es im Kampf um den Klassenerhalt ankommt. Der Cheftrainer hofft, dass vier neue Spieler seine Mannschaft beflügeln werden.

Mönchengladbach. Hans Meyer weiß, worauf er sich eingelassen hat. So wie bei der Hertha aus Berlin anno 2004 oder zuletzt beim 1. FC Nürnberg ist bei der Borussia mit der Verpflichtung Meyers neue Zuversicht eingekehrt. "Das Unternehmen ’Klassenerhalt’ steht auf wackeligen Beinen, keine Frage, aber ich bin guten Mutes, dass wir das Zeug haben, die Klasse zu halten", sagt der erfahrene Coach von Bundesliga-Schlusslicht Borussia Mönchengladbach.

Seine Mannschaft muss als Tabellenletzter den größten psychologischen Druck aushalten und sich gleich im ersten Spiel am Samstag beim VfB Stuttgart bewähren. Vor dem Rückrundenstart regiert am Niederrhein wie bei den meisten anderen Mannschaften im Tabellenkeller das Prinzip Hoffnung.

Hans Meyer muss hoffen, dass die vier Neuverpflichtungen der Winterpause - Logan Bailly (Tor), Paul Stalteri (Abwehr), Dante (Abwehr) und Tomas Galasek (Mittelfeld) - möglichst auf Anhieb funktionieren. Er muss auch hoffen, dass er mit seinen Entscheidungen und Maßnahmen schnell auf den richtigen Trichter kommt.

Der Fußball-Lehrer muss hoffen, dass sein 27-köpfiger Kader in den restlichen 17 Spielen (achtmal daheim, neunmal auswärts) möglichst von Verletzungen verschont bleibt. Er muss hoffen, dass die "Platzhirsche" im Team den Rest des Borussen-Rudels mitreißen. Meyer muss zudem hoffen, dass Marko Marin seinen Spieltrieb nicht einbüßt und gleichzeitig versucht, seine Effizienz zu erhöhen.

Ja, und Hans Meyer muss hoffen, dass sich seine "neue Borussia" vom morgigen Tag an als starke Gemeinschaft präsentiert, die allen Widrigkeiten trotzt und sich voller Leidenschaft in die Arbeit stürzt. Eine ist auf jeden Fall gewiss: Borussia Mönchengladbach darf auch im Abstiegskampf 2008/2009 auf die Treue und Unterstützung ihrer Anhänger setzen.

Die Gladbacher haben den Dauerkartenverkauf in der Winterpause noch einmal nach oben geschraubt - 27733 Fans haben sich ihr Ticket für die acht Rückrunden-Heimspiele gesichert (u.a. gegen Hoffenheim, Hamburg, Schalke und Dortmund).

Der große Umbruch beim fünffachen Deutschen Meister - wie wird er sich auf das Spiel und die Ergebnisse auswirken? Mit einem Trainerwechsel ging es los: Für Jos Luhukay kam Hans Meyer, zwei neue Assistenten (Jürgen Raab/Manfred Stefes) folgten, ein Sportdirektor namens Christian Ziege zog von dannen, und schließlich traf Hans Meyer diverse Maßnahmen im Spielerbereich (sieben Profis mussten gehen, vier neue kamen) - rekordverdächtig.

Ob diese Maßnahmen greifen? Meyer hat als Respekt einflößende Persönlichkeit und unumstrittener Fachmann alle Fäden in der Hand. "Einen Garantieschein gibt es natürlich nicht, aber ich bin optimistisch. Die vier neuen Spieler mussten kommen, sonst wären wir chancenlos gewesen", sagt der Trainer.

Ob der Altmeister vom Niederrhein noch einmal die Kurve kriegt und bis spätestens 23. Mai, wenn die Saison im Borussia-Park mit dem Spiel gegen Borussia Dortmund ausklingt, drei Mannschaften hinter sich gelassen hat, ist die große Frage unter den Fußball-Anhängern, bei denen die Skepsis überwiegt, wie eine Umfrage des "Kickers" zeigt. Demnach glauben nur 48 Prozent der 31000 Teilnehmer des Votings an den Klassenerhalt.

Die Borussen müssen sich in der Rückrunde auf allen Ebenen verbessern - mehr Tore schießen und wesentlich weniger zulassen als in der verkorksten Hinserie. Ob Hans Meyer auf ein 4-3-3-System setzt, sein Glück mit einer oder zwei Spitzen versucht, ob seine Mannschaft ein torloses Unentschieden durch stures Defensiverhalten erkämpft - all das interessiert nur am Rande. Borussia braucht Siege, Punkte, Erfolgserlebnisse, um den dritten Abstieg in der Geschichte des Vereins seit dem Aufstieg 1965 in die Fußball-Bundesliga zu vermeiden.

Auch die Zukunft von Hans Meyer ist in dieser kritischen Phase zunächst einmal von untergeordneter Bedeutung, genauso wie die von Marko Marin oder Oliver Neuville. Der nächste Umbruch steht nach der Rückrunde ohnehin bevor. Wobei gerade dem WM-Dritten von 2006, Oliver Neuville, von Herzen zu gönnen ist, dass er vor dem nahenden Ende seiner Karriere noch das eine oder andere Mal trifft und seinen 90 Toren in 305 Bundesligaspielen (zudem 51 Torvorlagen) ein paar hinzufügt - für das Unternehmen Klassenerhalt.

"Meine Werte sind gut, und ich bin schnell wie eh und je", sagt der ehemalige Nationalstürmer, der am 1. Mai 36 Jahre alt wird. Das ist genau einen Tag vor dem Gastspiel beim FC Bayern München. Wie mag dann, am viertletzten Spieltag, wohl die Tabelle aussehen?

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