Bundesliga Borussia Mönchengladbach: Satte 50 Jahre Bundesliga - und jetzt?

Borussia Mönchengladbach hat Europas Fußball-Bühne im Visier. Die WZ wagt vor dem Start der neuen Saison einen Blick zurück - und nimmt die Spieler der aktuellen Mannschaft unter die Lupe.

 Gladbach-Generationen gegenüber: Günter Netzer stand bei der Bundesliga-Premiere der Gladbacher in der Startelf. Neuzugang Matthias Ginter (r.) ist aus Dortmund gekommen.

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Foto: dpa/ Dieter Wiechmann

Möchengladbach. Yeah, yeah, yeah! Die Beatles verzückten 1965 weltweit ihre Fans. Die Euphorie um die englische Pop-Gruppe war grenzenlos, auch am linken Niederrhein. Gleichzeitig grassierte ein ganz anderes Fieber, das Fußball-Fieber — die Fans von Borussia Mönchengladbach feierten Ende Juni fast rauschhaft den Aufstieg in die Bundesliga.

Und ein paar Wochen später, am 14. August 1965, begann für die Fohlen Elf mit dem Auswärtsspiel bei Borussia Neunkirchen (1:1) eine neue Ära. Spiel eins in der zwei Jahre zuvor gegründeten neuen Eliteliga. 1670 Spiele in Liga eins sind es mittlerweile geworden. Am Sonntagabend wird mit der Begegnung gegen den 1. FC Köln (18 Uhr) im Borussia-Park die 50. Saison der Gladbacher eingeleitet, die Jubiläums-Spielzeit.

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Fünf Jahrzehnte Bundesliga-Fußball in Mönchengladbach — eine solch bemerkenswerte Zahl haben nur noch sechs andere Vereine in Deutschland geschafft: der Hamburger SV (steht vor der 55. Saison), Werder Bremen (54.), der FC Bayern (53.), VfB Stuttgart (52.), Borussia Dortmund (51.), und Schalke 04, das, wie Gladbach, nun die 50 voll macht.

„Es war damals wie ein Traum, ein Märchen. Endlich gehörten wir dazu“, erinnert sich der heute 74-jährige Gerd „Amigo“ Elfert. Für den in Wiehl bei Gummersbach beheimateten ehemaligen Mittelfeldspieler des VfL Borussia, der noch aktiv für den 1. FC Köln unterwegs ist und Talente beobachtet, war die Bundesliga-Ouvertüre im Saarland mit einem besonderen Ereignis verbunden. Denn Elfert erzielte für das junge Team der Trainer-Legende Hennes Weisweiler den ersten Gladbacher Treffer in der Bundesliga. „Einen Schönheitspreis hätte ich mit dem Tor sicher nicht gewonnen“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung, „der Schuss aus 15, 16 Metern war, wenn ich mich richtig entsinne, sogar haltbar.“ Ganz sicher aber ist der ehemalige Gladbacher Borusse mit seinem Treffer auf immer und ewig in den Bundesliga-Annalen verzeichnet.

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Von variantenreichen Spielsystemen im Fußball war in den Anfängen der Bundesliga aber noch nicht die Rede. „Wir sind viel gelaufen und haben immer Vollgas gegeben“, sagt Elferts Teamkamerad Herbert Laumen, später ein gefürchteter Torjäger in der Liga. Gladbach debütierte im Saarland mit den fünf jungen Angreifern Laumen (22), Rupp (23), Heynckes (20), Netzer (20) und Elfert (22), spielte also das damals gebräuchliche 2-3-5-System. „Später hat sich das aber grundlegend geändert“, sinniert Laumen rückblickend, „so haben wir in den grandiosen 70er Jahren bereits überwiegend in einem 4-3-3-System agiert.“

Heutzutage gehört das Einspielen von taktischen Grundelementen zum täglichen Einmaleins im Fußball. Manchmal wird das Thema aber überstrapaziert. So findet Gladbachs Cheftrainer Dieter Hecking, dem mit 350 Bundesliga-Einsätzen erfahrensten Coach im Fußball-Oberhaus, die Vielfalt der Systeme zwar durchaus positiv, machte in einem Interview mit dem Fachmagazin Kicker aber auch deutlich, dass ihm prinzipiell zu viel darüber diskutiert werde. „Letztendlich geht sowieso ein System in das andere über.“ Auf jeden Fall sind Hecking und seine Schützlinge für die neue Runde systemtechnisch gewappnet. So studierten sie im Trainingslager am Tegernsee die Dreierkette ebenso ein wie die Fünferkette. Und überhaupt: „Wir haben alles drauf.“

Mit welcher Formation und Taktik die Borussia nun daheim dem 1. FC Köln begegnen wird und bestenfalls aufs Kreuz legen will, bleibt die große Frage. „Es muss alles sitzen, es muss alles stimmen. Wir brauchen Herz, Einsatzfreude, Leidenschaft und Disziplin. Und die Rädchen sollten möglichst ineinandergreifen“, sagt Hecking. Erstmals seit drei Jahren können sich die VfL-Anhänger nicht auf internationale Begegnungen freuen — im Gegensatz zum Gegner 1. FC Köln, dem ewigen Rivalen aus der Domstadt.

Deshalb gilt es ohne Wenn und Aber, Rang neun aus der vergangenen Saison zu korrigieren und wieder höhere Ziele anzupeilen. „Ob es dann am Ende für einen vorderen Platz reicht, ist eine anderer Frage“, bemerkt Sportdirektor Max Eberl, der mutmaßt, dass in der Liga diesmal alles noch enger zusammenrückt. „Aufsteiger wie Stuttgart und Hannover haben, mit Verlaub, eine höhere Qualität und Dichte als beispielsweise Darmstadt oder Ingolstadt“, ergänzt Eberl.

Insgesamt hoffen sie in Mönchengladbach auf eine Rückkehr auf die große Bühne Europa, auf internationales Flair, auf Hymnisches, nicht zuletzt auf die Millionen aus dem noch nie so prall gefüllten „Uefa-Topf“. Denn am Ende der vergangenen Saison war Rang neun doch eine kleine Enttäuschung, genauso wie das frustrierende Aus in der Europa-League und im DFB-Pokal. Der ganzen Verletzten-Misere zum Trotz: Die Gladbacher ließen summa summarum zu viele Chancen liegen.

Gleich dreimal (Bundesliga, Europapokal, DFB-Pokal) im entscheidenden Moment nicht auf der Höhe des Geschehens gewesen zu sein, hat den Fans der Borussia einiges abverlangt. Cheftrainer Hecking wünscht sich in seiner ersten vollen Spielzeit mit dem Traditionsklub dann auch mehr Reibung, mehr Spannung, mehr Schärfe, mehr Kommunikation auf dem Platz. „Wir müssen wieder eine größere Gier entwickeln“, fordert Kapitän Lars Stindl. Große Hoffnungen ruhen auch auf den Neuen

Dabei sind Typen gefragt, Typen, die in einer Mannschaft vorangehen und den Ton angeben, so wie es Heißsporn Granit Xhaka bis zu seinem Wechsel zu Arsenal London vorgelebt hat. Aber wo sind die Kerle im Team des VfL? Spieler, die auch mal dazwischen funken und sich lautstark Gehör verschaffen. Vielleicht mausert sich Denis Zakaria im Mittelfeld zu einem Spieler mit Leader-Qualitäten und guter Mentalität. Der Youngster, erst 20 und von den Young Boys aus Bern gekommen, könnte das Zeug dazu haben. Max Eberl hält große Stücke auf den dynamischen, robusten Mann mit afrikanischen Wurzeln.

Auch der zweite spektakuläre Zugang aus Dortmund, Matthias Ginter, hat seine Mittel und Möglichkeiten bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Nicht zuletzt Keeper Yann Sommer, Kapitän und Confed-Cup-Gewinner Lars Stindl, der Weltmeister Christoph Kramer sowie Angreifer Raffael die Trumpfasse im Team, von denen man immer noch ein bisschen mehr erwartet. Aber auch auf Hazard und „Zauberfuß“ Vince Grifo aus Freiburg ruhen Hoffnungen.

Wie auch immer die Saison ausgehen wird und ob es tatsächlich für einen Europapokal-Platz reichen wird, muss sich zeigen. Auf die 50 kann Borussia Mönchengladbach so oder so stolz sein. Satte 50 Jahre 1. Klasse. Wer hätte das gedacht, als am 14. August 1965 die Reise zur Namenscousine aus dem saarländischen Neunkirchen begann.

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