Augenzeuge: Albträume nach dem Feuer im X-Club

Nach der Verpuffung in einem Bordell ist Georg Keuter (42), der den Bewohnern half, geschockt. Er ärgert sich, weil er von der Polizei „wie ein Täter behandelt wurde“.

Mönchengladbach. Albträume vom Zigarettenholen hat Georg Keuter. Der 42-Jährige ist der Passant, der am Mittwochmorgen zufällig am X-Club vorbei kam, das Feuer in dem Bordell bemerkte und den Bewohnern helfen wollte (die WZ berichtete).

Um kurz vor vier war er von seinem Zuhause an der Franz-Wamich-Straße aus Richtung Tankstelle an der Ecke Rheydter-/Brunnenstraße unterwegs. "Ich wollte da Zigaretten holen, bevor ich mit meiner Freundin ganz früh zum Trödelmarkt an der Trabrennbahn fahre."

Doch er kam nicht wieder zurück vom Zigarettenholen. Seine Freundin (22) machte sich Sorgen und fand ihn - völlig geschockt - vor der Tür des X-Club inmitten von Polizei und Feuerwehr. Da hatte er versucht, die Bewohner zu wecken. "Und als niemand auf mein Klingeln, Klopfen und Rufen reagierte, hab’ ich die Türe eingetreten und bin reingelaufen", erinnert sich Keuter.

"Kurz darauf gab es die Verpuffung, und die Druckwelle hat mich mit der Tür auf die Straße geschleudert. Ich glaube, dass nur der Umstand, dass der Flur einen Knick macht, mich vor Schlimmerem bewahrt hat."

Was er "nie vergessen" werde, sei der Anblick des durch seine starken Verbrennungen lebensgefährlich verletzten Vaters. Der hatte sich aus einer Wohnung über dem Club mit seiner Tochter (6) durch das Treppenhaus auf die Straße gerettetet. "Ich habe mich gezwungen, das schwer verletzte Kind nicht anzuschauen", so Keuter, "ich habe ja selbst zwei Töchter." Wenn er in der Nacht darauf überhaupt geschlafen habe, dann mit Albträumen.

Was er nicht verstehe, so der Mönchengladbacher, sei, "dass bis auf eine Frau an einem Fenster, die die Notdienste alarmiert hat", nach dem Knall weit und breit niemand zu sehen gewesen sei. Es sei ja schon "wie verhext gewesen, dass kein einziges Auto vorbeifuhr", als Hilfe am Nötigsten war.

"Aber dass sonst keine Nachbarn aufmerksam geworden sind, wundert mich. Sonst hängen sie bei jeder Gelegenheit aus dem Fenster", regt er sich auf. "An einem Haus hat nach dem Knall jemand die Jalousien heruntergelassen. Das muss man sich vorstellen."

Auch als die Polizei eingetroffen war, wollte Keuter weiter helfen. Mit einem Beamten habe er eine Räuberleiter machen wollen, um dem Kind auf dem Flachdach des Nacbharhauses zu helfen. Dorthin hatte sich die Mutter mit ihrem Sohn (7) vom Treppenhaus geflüchtet. "Da kam dann aber die Feuerwehr mit der Drehleiter."

Alle vier verletzten Familienmitglieder kamen in verschiedene Krankenhäuser. Der Vater in eine Spezialklinik für Verbrennungsopfer. Auch die Tochter wurde schwer verletzt. Mutter und Sohn sind leicht verletzt, stehen aber unter intensiver ärztlicher Beobachtung.

Keuter selbst wurde bei seiner Kollision mit der Haustür leicht verletzt, konnte aber nach einem Arztbesuch wieder nach Hause. Im Anschluss wurde er von der Kriminalpolizei befragt. Danach sagte der gelernte Textilmaschinenführer gestern: "Ich glaube, demnächst würde ich mich besser blind stellen."

Man habe ihm das Gefühl vermittelt, er werde nicht als Zeuge, sondern als Täter gehört. "Nach drei Stunden Aussage wurde meine Kleidung beschlagnahmt, die ich bei dem Unglück trug", erzählt er, "es war mir peinlich, dass Polizisten mit mir nach Hause kamen und mit großen braunen Papiertüten wieder gingen."

Die Polizei betonte gestern angesichts der Kritik, dass Keuter "nur als Zeuge gehört wurde". Dass er befragt und Kleidung sichergestellt worden sei, sei Standardprocedere. "Es hat länger gedauert, weil er vor Ort und ein unmittelbarer Zeuge war und es ein bedeutendes Geschehnis war", so ein Polizeisprecher.

Die Spurensicherung war gestern noch im Club beschäftigt. Sachverständige suchen nach der Ursache für das Feuer in dem Haus, das einem Verwandten des lebensgefährlich Verletzten gehört. Der Betreiber wiederum wohnt gegenüber. Unter Nachbarn gibt es Gerüchte, nach denen das Etablissement den Besitzer wechseln sollte.

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