Auch sie sind Mönchengladbach

Ja, für Brutalität und Egoismus gibt es Beispiele in der Stadt. Aber es gibt auch eine andere Seite. Es gibt sie noch, die Ehrlichen, die Mitfühlenden und Couragierten.

Auch sie sind Mönchengladbach
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Offenbar ist bei vielen Menschen der Reflex verloren gegangen, bei Notfällen zu helfen. Bei Katastrophen wird das Smartphone oftmals für Fotos und Videos gezückt und nicht, um die Notrufnummer zu wählen. Aber es gibt sie noch, die Ehrlichen, die Mitfühlenden und Couragierten.

Auch sie sind Mönchengladbach
Foto: rei

Brigitte Küppers hat gerade mehrere Termine mit dem Fahrrad erledigt, als sie in den leeren Gepäckkorb blickt. Die Handtasche mit Geld, Papieren und Handy ist weg. Verloren? Gestohlen? Die Gladbacherin fährt die gesamte Strecke zurück, guckt und fragt überall nach. Nichts. Völlig aufgelöst radelt sie nach Hause, wo ihr Mann sie mit den Worten empfängt: „Reg dich nicht auf, alles wird gut.“ Brigitte Küppers erfährt, dass zwei Handwerker die Tasche auf der Fahrbahn der Bismarckstraße gefunden, sich telefonisch gemeldet und versprochen haben, das Fundstück nach Feierabend zurückzubringen. So geschieht es. Den Finderlohn, den Brigitte Küppers den beiden Männern geben will, lehnen sie ab. Verlockender ist da wohl der Duft des frischen selbst gebackenen Kuchens. „Einer der beiden Männer fragte mich, ob ich ihm für den nächsten Tag auch einen solchen Blechkuchen backen könne, den würde er dann für eine Geburtstagsfeier mitnehmen“, berichtet Brigitte Küppers, die diesen Auftrag mit Freude erledigt. Und wer jetzt nach dem leeren Backblech fragt — auch das ist zurückgebracht worden.

Auch sie sind Mönchengladbach
Foto: jkn

Sage und schreibe 40.000 Euro findet Reinigungskraft Anna Radke in einer Tasche, die ein Gast im Hotel vergessen hat. Behalten oder abgeben? Die damals 37-Jährige zögert keine Sekunde. Sie hätte nie mehr schlafen können, wenn sie das Geld eingesteckt hätte, sagt sie. Sofort geht die Putzhilfe zur Hotelleitung und liefert das Geld ab, die wiederum gibt es der Polizei, und noch am selben Nachmittag kann es der 36-jährige Deutsch-Türke, der das Geld im Zimmer vergessen hat, in Empfang nehmen. Das Geld ist für eine türkische Hochzeit gedacht, die dank Anna Radke wie geplant stattfinden kann.

Handwerker Dominik Wimmers entdeckt den „Schatz“ beim Renovieren in einer leerstehenden Wohnung. Als er die Wanne rausreißt, findet er darunter eine Butterbrotdose mit 9000 Euro. Das Geld gehört wohl dem früheren, mittlerweile verstorbenen Mieter der Wohnung. Das Geld zu behalten, daran würde auch Dominik Wimmers niemals denken. „Das könnte ich nicht. Ich hätte immer den alten Mann im Kopf gehabt, der sicherlich jahrelang auf irgendetwas gespart hat.“

Ohne ihren Einsatz hätte der polizeibekannte Dieb wohl nicht so schnell geschnappt werden können. Zwei Männer, 52 und 65 Jahre alt, reagieren blitzschnell und lassen sich auch von der Aggression des Diebes nicht einschüchtern. Der hatte sich vorher in einem Discounter an der Krefelder Straße die Taschen vollgemacht und das Geschäft verlassen, ohne zu bezahlen. Der 52-Jährige, selbst als Kunde in dem Supermarkt, nimmt sofort die Verfolgung auf. Als er den Dieb einholt, schlägt dieser ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Der 65-Jährige hat den Vorfall beobachtet und schaltet sich nun in das Geschehen ein. Er lädt den ersten Zeugen mit in sein Auto und verfolgt mit ihm gemeinsam den flüchtigen Dieb. In Höhe der Zeppelinstraße holen sie den Täter ein, steigen aus dem Auto und reißen den Ladendieb zu Boden. Dort fixieren sie ihn bis zum Eintreffen der Polizei.

Dass man auch im Alter noch Zivilcourage zeigen kann, hat eine 82-jährige Rheydterin bewiesen. Sie kommt im November vergangenen Jahres vom Einkaufen zurück, als an ihr eine schreiende junge Frau vorbeiläuft, die plötzlich von einem Mann am Kragen gepackt und mit dem Kopf auf eine Motorhaube geschlagen wird. Die 82-Jährige läuft sofort zu der bewusstlos am Boden liegenden jungen Frau, fordert einen Zuschauer am offenen Fenster auf, Polizei und Rettungswagen zu holen, verfolgt den flüchtenden Mann ein Stück und kümmert sich dann wieder um die Frau am Boden, bis die Rettungskräfte da sind.

Für eine 18-Jährige hätte es ebenfalls noch schlimmer ausgehen können, wenn ihr nicht zwei völlig fremde Männer geholfen hätten. Sie wird in der Nähe des Hauptbahnhofs von einem Angreifer geschlagen und getreten. Ein 23- und ein 30-Jähriger fackeln nicht lange. Sie halten den Schläger zurück und gehen mit der jungen Frau zur Polizei.

Wer so nett „Danke“ sagt, der kann auch hartgesottene Polizisten in Rührungswallung bringen. Es ist schon etwas her, da erscheint ein siebenjähriges Mädchen den Tränen nahe und völlig aufgelöst beim Familientag der Borussia auf der Stadionwache. Der Grund ist schnell klar: Das Mädchen hat im Gewühl seinen Papa verloren. Bei einem Polizisten, selbst Vater von zwei Kindern, ist sie sehr gut aufgehoben. Der kümmert sich und bringt Vater und Tochter schnell wieder zusammen. Wenige Tage wird eine rosafarbene Papierrolle gebracht. Neben einem Bild mit lachenden Uniformierten und einem traurigen Mädchen steht dort in Anfängerdruckschrift: „Vielen Dank, dass ihr auf mich aufgepasst habt, eure Lea. Ich weiß jetzt, wo ich hingehen kann, wenn ich meine Eltern verloren habe.“

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