Als die britischen Bomben auf Mönchengladbach fielen

In der Nacht vom 9. auf den 10. September 1944 und bei weiteren Angriffen wurde Mönchengladbach in weiten Teilen zerstört.

Mönchengladbach. Es ist etwas mehr als ein Jahr her, seit 660 britische Bomber in einem 73-minütigen Luftangriff die halbe Stadt in Schutt und Asche verwandelten und 413 Menschen starben. Nun, in der Nacht vom 9. auf den 10. September 1944, sitzen im Keller eines Hauses an der Kronprinzenstraße wieder Menschen und bangen um ihr Leben. Über ihnen fallen Bomben.

Als die britischen Bomben auf Mönchengladbach fielen
Foto: Stadtarchiv

Es ist der zweite schwere Luftangriff, den die Stadt über sich ergehen lassen muss. „Im Nachbarhaus schlug eine Luftmine ein. Unser eigenes Haus bekam einen Volltreffer“, erinnert sich eine Zeitzeugin. Der Vater der Nachbarsfamilie starb auf dem Weg in den Bunker. Im Haus über dem Keller starben beim Angriff drei Menschen. Insgesamt verloren in jener Nacht 394 Gladbacher und 103 Rheydter ihr Leben. Viele von ihnen verbrannten, erstickten oder wurden von Gebäudeteilen erschlagen.

Seit der Landung der alliierten Truppen in der Normandie am 6. Juni 1944 war Mönchengladbach für die Briten ein taktisches Angriffsziel geworden. Hier befanden sich Endbahnhöfe und Stützpunkte der Wehrmacht, die für die Verteidigung von großer Bedeutung waren. Ab der Bombennacht vor 70 Jahren bis zum Kriegsende warfen alleine die Briten rund 6250 Tonnen Bomben über der Stadt ab. Am 9. September 1944 starteten 113 viermotorige Lancasterbomber und 24 Mosquito-Schnellbomber zum Angriff.

Ihr Einsatzbefehl: „To destroy town“ (die Stadt zerstören). Geladen hatten sie dafür 101 Minenbomben, die auch als „Block-Buster“ (Wohnblockknacker) bekannt waren und ganze Häuserzeilen durch eine Druckwelle zerstören konnten. Besonders schwer traf es die Gegend rund um die Horst-Wessel-Straße, die heutige Friedrich-Ebert-Straße. Die britischen Bomberverbände warfen in dieser Nacht 300 Sprengbomben, 39 Minenbomben, 70 000 Stabbrandbomben und 14 000 Phosphorbomben ab und zerstörten 1591 Häuser. 453 weitere wurden schwer beschädigt.

Es dauerte zehn Tage, bis zur Nacht vom 19. auf dem 20. September, bis die Royal Air Force den nächsten schweren Luftangriff flog. 227 Lancasterbomber und zehn Mosquito-Schnellbomber brachten vielen Menschen den Tod. Nach Angaben der Luftschutzpolizei warfen die Briten über Gladbach 555 Sprengbomben, 40 Minenbomben, 2000 Stabbrandbomben, 8000 Phosphorbomben und 15 000 Flammenstrahlbomben ab.

222 Häuser standen in Brand, 263 Gladbacher starben und 602 wurden verletzt. Ähnlich schwer traf es die Stadt Rheydt. Hier warfen die Bomber 75 Sprengbomben, 14 Minenbomben, 9500 Stabbrandbomben, 1300 Phosphorbomben und 4300 Flammenstrahlbomben ab. 104 Häuser brannten ab, 27 Rheydter starben und 64 wurden verletzt. Auch die Industrie traf es. Die Werke eins und vier der Meer AG und die Rheinmetall Borsig wurden völlig zerstört. Beide waren wichtig für die Rüstung.

Kurz nach Weihnachten 1944 setzten sich die Angriffe fort. Am Nachmittag des 27. Dezembers flogen 200 Lancasterbomber und elf Mosquito-Bomber einen Angriff. Das Ziel waren die Bahnhöfe. Doch auch die Bevölkerung musste leiden, weil die Markierungsbomben an falscher Stelle abgeworfen wurden.

1123 Sprengbomben prasselten auf Rheydt herab und töten 241 Menschen. In Gladbach waren es 34 Bomben und fünf Tote. Der nächste Tag wurde ähnlich schlimm. 129 Lancasterbomber und elf Mosquito-Bomber wurden dieses Mal von 46 viermotorigen Halifax-Bombern unterstützt. Um 19.01 Uhr wurden die Markierungen am Himmel gesetzt und es begann ein 20 Minuten dauernder Angriff.

700 Sprengbomben fielen auf Gladbach, 81 auf Rheindahlen und 405 auf Rheydt. 528 Gladbacher waren danach obdachlos. Ebenso 82 Rheydter. Einen Volltreffer bekam die St.-Josefs-Kirche am Hohenzollernplatz. Eine Bombe traf die Großrettungsstelle am Rheydter Bahnhof. Dort starben elf Angestellte und der Arzt Dr. Franz Borchard.

Weil sein Kollege Dr. Paul Camp schwer verletzt wurde, gab es nach dem Angriff in Rheydt keinen Arzt mehr. Zehn Tote gab es in Hockstein im Haus Klusenstraße 76. Die Besitzer des Hauses starben ebenso wie ihre Nachbarn, die sich zu ihnen in den Keller gerettet hatten. Von allen wurden später nur Leichenteile gefunden. Besonders tragisch ist die Geschichte einer Hocksteiner Mutter. Mit ihren sieben Kindern war sie auf dem Weg in einen Bunker, als sie merkte, dass sie einige Papiere vergessen hatte. Sie schickte ihre Kinder vor und ging selber zurück. Dabei wurde sie von einer Bombe zerfetzt. Auch die Hocksteiner Kirche wurde zerstört.

Den letzten schweren Angriff erlebte die Stadt am Nachmittag des 1. Februars 1945. Erneut dauerte er 20 Minuten. 160 Lancasterbomber hatten eigentlich die Bahntrassen als Ziel, griffen aber auch die Zivilbevölkerung an. Zehn Minenbomben, 1200 Sprengbomben und 65 000 Brandbomben trafen Gladbach, zerstörten 230 Häuser und töteten 54 Menschen.

Auf Rheydt gingen 20 Minenbomben, 322 Sprengbomben und 37 000 Brandbomben nieder. 76 Häuser wurden zerstört, 14 Menschen starben. Es war der Schlusspunkt verheerender Großangriffe. Die Bilanz spricht eine deutliche Sprache. Von 38 032 Gladbacher Wohnungen wurden rund 16 000 zerstört und 12 526 beschädigt. Eine Million Kubikmeter Schutt bedeckte die Straßen. In Rheydt wurde ein Viertel der 11 174 Häuser zerstört. Nur 934 blieben ohne Schäden. Bei den Luftangriffen starben 1257 Gladbacher und 820 Rheydter.

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