Aktion: Gartenmauer für Graffiti-Sprayer

Tilo Eimler (59) mag die gesprühte Malerei – wenn sie gut aussieht. Die Szene soll jetzt sein Privateigentum verschönern.

Mönchengladbach. Es gibt kleine Katastrophen verschiedenster Art, die Hausbesitzern die Zornesröte ins Gesicht strömen lässt. Dazu zählen Mieter, die mit schlammverschmierten Schuhen durchs Treppenhaus laufen. Oder Kinder, die beim Spielen im Vorgarten ohrenbetäubenden Lärm machen. Oder Hunde, die den Gehweg als Abort missbrauchen.

Doch das alles ist nichts gegen das, was Hausbesitzer am allermeisten zürnen lässt - nämlich Graffiti an den Hauswänden. Der Grund dafür: Ihre Entfernung kommt den Hausbesitzern teuer zu stehen. Um sie zu eliminieren, ist ein neuer Anstrich vonnöten, und der kostet schnell eine vierstellige Summe.

Ein spektakulärer Fall, der das Problem illustriert, ereignete sich im April vergangenen Jahres in Venn. Dort besprühten vier Jugendliche innerhalb einer Nacht 20 verschiedene Objekte - Häuser, aber auch Bushaltestellen und Baucontainer. Die Reinigung einer solchen Großaktion kostet mehrere zehntausend Euro.

Tilo Eimler (59), Mediengestalter aus Hardterbroich, ist ebenfalls ein Hausbesitzer, dessen Eigentum bereits als Arbeitsfläche für das Treiben der Sprayer herhalten mussten. Eimler besitzt drei aneinandergereihte Häuser an der Schulstraße.

Auf den Gartenmauern an der Rückseite - zur Grundschule Hardterbroich hin - vermiesten ihm immer mal wieder so genannte "tags" die Laune. "tags", das sind schnöde Schriftzüge, mit denen Sprayer ihr Revier im öffentlichen Raum markieren. "Die sind wahrlich nicht schön anzusehen", konstatiert Eimler.

Was Eimlers Geschichte so besonders macht, sind die Konsequenzen, die er aus den Schmierereien zieht. Statt auf die Zerstörungsfreude der Sprayer zu schimpfen, will er besonnen bleiben und auf die Szene zugehen. Und nicht nur das: Er will sie beauftragen, die Mauer erneut zu besprühen. Nur dieses Mal sollen die Graffiti bitte schön künstlerisch wertvoll sein.

"Mein eigener 32-jähriger Sohn hat früher einmal gesprayt", schildert Eimler den Grund seiner Milde. Und der Freund seiner 27-jährigen Tochter habe Kontakte zur Szene. Von beiden hat er gelernt, dass Graffiti durchaus auch eine Bereicherung für das Stadtbild sein können. Wer einmal die atemberaubenden Werke im New Yorker Stadtteil Brooklyn gesehen hat, bekommt eine Ahnung, wovon Eimler redet.

Eimler ruft nun die Sprayer aus der Stadt auf, sich bei ihm vorzustellen und ihre Ideen zu erläutern - keinesfalls sollen sie unangemeldet bei ihm anrücken und einfach drauf los sprühen. Im Frühling will er sie einladen, um die Wand formvollendet zu verschönern.

"Am liebsten wäre mir, wenn die Sprayer unterschiedliche kulturelle Hintergründe haben", sagt Eimler. So will er türkischstämmige Jugendliche gewinnen, aber auch Sprayer mit afrikanischen Wurzeln. Wenn das multikulturelle Symbol fertig ist, will Eimler ein Straßenfest feiern.

Damit das Material, etwa die Spraydosen, finanziert werden kann, sucht Eimler in der Mönchengladbacher Wirtschaft nach Sponsoren. Um die Graffiti-Aktion attraktiv zu machen, will er sie mit einem Wettbewerb verknüpfen. Wer das schönste Motiv gesprüht hat, darf zur Belohnung auch noch die Garagentore verzieren, die zu Eimlers Häusern gehören.

Ob der Vorstoß des Mönchengladbachers gar zum Modell für andere frustierte Hausbesitzer wird, das muss sich noch zeigen.

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