Willich Streit um angebliche „Wuchergebühren“

Michael Stoffels vom Flüchtlingsrat greift die Stadt Willich wegen hoher Kosten in Unterkünften für Flüchtlinge an. Doch diese setzt sich zur Wehr.

Willich: Streit um angebliche „Wuchergebühren“
Foto: Kurt Lübke

Willich. Michael Stoffels, Mitglied im Flüchtlingsrat NRW, fährt schweres Geschütz auf: „In Willicher Unterkünften für Flüchtlinge werden Wuchergebühren erhoben“, klagt der Kempener. Der zu zahlende Mietpreis sei in seiner Höhe im Kreis Viersen beispiellos und übersteige alles, was an vergleichbarem Wohnraum in Willich angeboten werde.

„Schlappe 306,77 Euro zahlen Flüchtlinge, die ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit sichern, an Miete. Das mag im ersten Augenblick erträglich sein, solange man nicht weiß wofür: Für eine Schlafstelle in einem spartanisch eingerichteten Vierbett-Raum mit vier Eisenbettgestellen und vier Spinds. Das heißt: Zahlen alle vier, so kommt ein Mietpreis von sage und schreibe rund 1227 Euro zusammen“, sagt Stoffels. Immerhin: Die Benutzung eines Sanitärraums und einer Gemeinschaftsküche sei im Preis inbegriffen.

Stoffels stellt den Vergleich mit anderen Kommunen an: In Viersen werden rund 108 Euro für eine Schlafstelle bezahlt, in Kempen rund 85 Euro. In Willich gelte also das Drei- bis Vierfache. „Wie kommt Willich zu solchen Wuchergebühren?“, fragt Stoffels — und beantwortet sich die Frage gleich selbst: Eingefordert würden sie seit einer Änderung der Satzung für Nutzungsgebühren im vergangenen Jahr. Diese war vom Stadtrat einstimmig gebilligt worden.

„Haben die Stadtverordneten alle geschlafen, als diese Satzungsänderung beschlossen wurde?“, will Stoffels wissen. Dieser Wucher müsse beendet werden. In diesem Sinne hat er sich mit einer E-Mail an Bürgermeister Josef Heyes gewandt.

Die Klagen über die Gebührenerhöhung ist nicht neu: Schon im vergangenen Oktober hatten sich zwei Betreuer eines kurdischen Türken, der in der Unterkunft am Anrather Bahnhof lebt, in ähnlicher Weise zu Wort gemeldet (die WZ berichtete). Der 40-jährige Mann zahlte bis zu diesem Zeitpunkt eine monatliche Nutzungsgebühr von 106,59 Euro — nun musste er 187,8 Prozent mehr blechen.

Kämmerer Willy Kerbusch rechtfertigte den Anstieg damals mit neuen Berechnungen. Jahrzehntelang habe es nur die beiden Unterkünfte an der Koch- und Lerchenfeldstraße gegeben. Doch die Stadt habe umgebaut, neu gebaut und angemietet, so dass es nun zehn solcher Einrichtungen in der Stadt gebe. Die Neuberechnung entspreche heutigen Standards. Bislang seien die Gebühren nicht kostendeckend gewesen.

Im Gespräch mit der WZ verweist Kerbusch aktuell darauf, dass „öffentlich subventionierte Unterkünfte“ gar nicht für Menschen gedacht seien, die eine Arbeit gefunden haben. „Wer Geld verdient, soll dort nicht wohnen bleiben“, betont der Kämmerer und ergänzt, dass es freie Sozialwohnungen an der Goethestraße gebe.

Die Aufregung um die gestiegenen Gebühren kann er ohnehin nicht nachvollziehen: Anerkannte Flüchtlinge bezögen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II, Mietkosten würden übernommen. Darauf weist auch der Vorsitzende des Sozialausschusses, Dietmar Winkels (SPD), hin. Und er betont, dass der Erhöhung eine wirtschaftliche Kosten-Leistungs-Rechnung vorausgegangen sei. Warum die Gebühren in den Nachbarstädten günstiger seien, könne er nicht beantworten.

Wie Sozialdezernentin Brigitte Schwerdtfeger ergänzt, könne man das Wohnen in einem Flüchtlingsheim auch nicht mit einer Mietwohnung vergleichen. Denn die mit eigenem Hausmeister ausgestatteten Unterkünfte seien so eine Art „betreutes Wohnen“ und verursachten höhere Kosten.

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