Neersen: 48 Jahre auf dem Dach

Den Schornsteinfeger Heinz-Günter Lehnen kennen in der Stadt Willich viele. Jetzt ist er im Ruhestand.

Neersen. "Schon als Zwölfjähriger hatte ich den Wunsch, Schornsteinfeger zu werden", erzählt der Neersener Heinz-Günter Lehnen. Den Grund dafür kann er gar nicht so richtig erklären. Jedenfalls ist der gebürtige Viersener konsequent geblieben, hat insgesamt 48 Jahre dem Handwerk die "Kehr"-Stange gehalten. Gerade erst ist der 60-Jährige in den Ruhestand gegangen. Sein Nachfolger heißt Klaus Berger.

Nach dem erfolgreichen Besuch der Volksschule in Clörath ließ sich der seit langem in Neersen lebende und seit 1977 mit Ehefrau Manuela verheiratete Heinz-Günter Lehnen zum Schonsteinfeger ausbilden. Es folgten erste Gesellenjahre in Viersen und Büderich, ehe er 1970 seinen Meister machte.

Auf Platz 160 der Innungs-Rangliste musste er 20 Jahre auf den eigenen Kehrbezirk warten. Im Januar 1987 wurde Lehnen schließlich als Bezirksschornsteinfeger für Teile von Schiefbahn und Willich zuständig. Davor arbeitete er als Meistergeselle 20Jahre bei Ludwig Heimes in St. Tönis.

Mehr als 100 000 Mal hat der Neersener auf den Dächern gestanden und gekehrt. Nur ungern denkt er dabei an das Jahr 1965 und an seinen einzigen Unfall zurück. "Da ist irgend etwas Schwarzes vorbeigeflogen", dies war damals der erste Kommentar der Hausdame, als er im Alter von 17 Jahren auf einem bemoosten und nassen Dach keinen Halt fand und 14 Meter tief in einen großen Blumenkübel fiel. Noch immer erinnern Platten und Nägel in seinem rechten Ellenbogen an den Trümmerbruch.

Akkurat sitzt noch immer seine Uniform aus dem Jahre 1987: mit Koller, Koppelschloss, Arbeitsanzug, Zylinder, mit Kehrleine- und -stange sowie in Arbeitsschuhen mit speziellen Profilsohlen ist er seiner Arbeit nachgegangen. Unterstützt wurde Lehnen von seinen Gesellen Hans-Peter Reinardy, Franz-Peter Baumanns und zuletzt Stefan Nabers.

"Als Geselle in Vorst war das schönste Arbeiten", weiß der Kaminkehrer von zahlreichen Episödchen zu berichten. "Da können Sie jetzt nicht rein", musste er sich bei einem Termin in einem privaten Schiefbahner Freudenhaus erst einige Zeit gedulden, bis sich der Freier verabschiedet hatte."

Und was ich mir an Lügen alles anhören musste", erinnert sich Lehnen an die vielen ergebnislosen Versuche, Einlass in die Wohnungen zu bekommen. Es kam sogar vor, dass die Ordnungsbehörde einschreiten musste.

Auch mit einigen Tieren ("Die Dackel waren die schlimmsten") hatte der Kaminkehrer im Ruhestand so seine Erfahrungen gemacht. "Einmal musste ich sogar einen Schäferhund mit meinem Schultereisen niederstrecken." Aber es gibt auch Positives zu berichten: So holte Lehnen auch schon eine verirrte Katze auf der Schiefbahner Fontanestraße vom Dach.

"Die Zahlungsmoral war früher viel besser", sagt Lehnen. Zuletzt sei er immer mehr Außenständen hinterher gelaufen. Auch bei Rechnungen von etwas über 20Euro: "Derzeit sind von mir noch 154 Mahnungen unterwegs." Dennoch hat ihm der Beruf immer großen Spaß gemacht.

Der viele Jahre aktive Fußballer, der Mitglied von Niersia Neersen ist, möchte sich jetzt bald einen großen Wunsch erfüllen: eine Angeltour durch Island oder Schottland. Seinen Nachfolgern wünscht Heinz-Günter Lehnen, dass sie vernünftig mit den Kunden und Kollegen umgehen. Getreu der Losung auf dem Koppelschloss: "Einer für alle - alle für einen."

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