Kleiner Fehler kostet ein Menschenleben

53-Jähriger musste sich für tödlichen Unfall verantworten. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

Kleiner Fehler kostet ein Menschenleben
Foto: Archiv

Neersen. Nur einen ganz kurzen Moment lang muss der Lkw-Fahrer unaufmerksam gewesen sein. Dabei merkte er nicht, dass sein Laster in der langgezogenen Linkskurve auf den Standstreifen geraten war.

Was sich am 8. März 2013 auf der Autobahn 44 zwischen der Auffahrt Forstwald und der Abfahrt Münchheide abspielte, geschieht in ähnlicher Weise fast jeden Tag. Normalerweise steuert der Fahrer nach und das Auto kehrt zurück auf die Fahrbahn. Anders in diesem Fall — mit furchtbaren Konsequenzen:

Der Laster einer Willicher Spedition rammte einen anderen Lkw, der wegen einer Panne auf dem Standstreifen abgestellt war. Dessen Fahrer wurde erfasst und war auf der Stelle tot. Am Mittwoch musste sich der Unfallfahrer (53) vor dem Krefelder Amtsgericht verantworten.

Ganz genau war der Unfallhergang nicht zu klären. „Ich weiß nur noch, dass ich den Verkehr auf der linken Seite im Rückspiegel beobachtet habe“, erklärte der Angeklagte, ein gebürtiger Neersener. Dann habe es einen Schlag gegeben.

„Ich habe angehalten, um nachzusehen. Da sah ich den Mann auf der Fahrbahn liegen.“ Bei dem Opfer handelte es sich um einen 74-Jährigen aus Grefrath. Dieser war für die Kempener Firma seines Zwillingsbruders gefahren.

Ab diesem Zeitpunkt könne er sich kaum an etwas erinnern. „Ich habe es immer noch nicht verkraftet“, erklärte der Angeklagte. Zu Beginn hatte er sich bei der Witwe des Opfers entschuldigt, er hatte ihr auch einen Brief geschrieben. Zudem war er selbst in psychologischer Behandlung.

Warum das Unfallopfer mit seinem Transporter auf dem Standstreifen angehalten hatte, konnte auch der Gutachter nicht eindeutig klären. Vermutlich war eine Zierleiste von dem Laster abgefallen. Was der Gutachter allerdings klären konnte, waren andere Details:

Der Mann aus Grefrath hatte die Warnblinkanlage angestellt, eine Warnweste trug er nicht. Auch ein Warndreieck hatte er nicht postiert. „Er hätte besser auf das Eintreffen von Hilfe gewartet“, so der Gutachter. Technische Mängel hatte er an beiden Lkw nicht feststellen können.

Womit die Faktenlage weitgehend geklärt war, wenn auch nicht die Unfallursache. „Er hat den anderen Lkw-Fahrer nicht gesehen“, betonte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Sie forderte eine „empfindliche Geldstrafe“, 100 Tagessätze á 30 Euro.

Das Urteil: Schuldig der fahrlässigen Körperverletzung — 90 Tagessätze á 30 Euro. „Sie haben ihre Sorgfaltspflicht verletzt“, erklärte die Richterin dem Verurteilten. Der Unfall wäre nicht passiert, wenn er nach vorne geguckt hätte. Was in den Augen aller für den Angeklagten sprach: Er hat nicht einen einzigen Punkt in Flensburg — und das bei rund 100 000 Kilometern im Jahr.

Ungewöhnlich: Vor ihrer strafrechtlichen Würdigung wandte sich die Richterin an die Witwe des Getöteten; „Der Verlust eines Lebens kann nicht durch ein Urteil aufgewogen werden.“

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