In Rom auf Goethes Spuren

Eigentlich wollte sie Lehrerin werden. Nun leitet die gebürtige St. Töniserin Ursula Bongaerts die vom Bund geförderte „Casa di Goethe“ in Italien.

<strong>St. Tönis. Eine typische Italienerin ist Ursula Bongaerts nach zehn Jahren in Rom nicht geworden. Statt Cappuccino oder Espresso trinkt sie am Arbeitsplatz grünen Tee aus Berlin. "Ich mag Kaffee nur zum Frühstück, und dann auch nur ganz wenig", sagt die Frau mit der blonden Kurzhaarfrisur. Durch die Stadt der hupenden Autos und knatternden Vespas geht sie fast täglich eine Dreiviertelstunde zu Fuß zur Arbeit - was bei ihren römischen Bekannten immer wieder Kopfschütteln auslöst. Im Büro angekommen, nimmt die 46-Jährige ihren Rucksack von den Schultern und tauscht bequeme Wanderschuhe gegen ein schickeres Paar.

Als Leiterin der vom Bund geförderten Casa di Goethe repräsentiert Ursula Bongaerts praktisch täglich deutsche Kultur. Das Haus Nummer 18 an der Via del Corso beherbergte den genialen Schöpfer des "Faust" während seiner Italienreise zwischen 1786 und 1788.

In einer Künstler-WG wohnte Johann Wolfgang von Goethe mit dem Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein und anderen kreativen Köpfen nahe der Piazza del Popolo.

Seit 1997 ist in den Räumen im ersten Stock des großen, alten Mietshauses "Deutschlands einziges Museum im Ausland" - wie die Verantwortlichen stolz betonen - untergebracht. Im vergangenen Jahr kamen rund 20 000 Besucher, um die Dauerausstellung über Goethes Reise und wechselnde Beiträge zum Themenbereich Deutschland und Italien zu sehen.

Als die gebürtige St. Töniserin Ursula Bongaerts an der Marienschule in Krefeld ihr Abitur macht, denkt sie noch nicht an Museumsarbeit, geschweige denn an Rom: "Ich gehörte nicht zu den Menschen, die immer schon ins Ausland wollten." Sie beginnt ihr Studium der Geschichte und Germanistik. "Eigentlich wollte ich Lehrerin werden", erzählt sie. "Aber als ich fertig wurde, war die Lehrerarbeitslosigkeit so hoch, dass ich keine Chance auf eine Stelle hatte."

Sie beginnt mit der Promotion, arbeitet beim "Haus der Geschichte" in Bonn. Beim Arbeitskreis selbständiger Kultur-Institute hilft sie jahrelang bei der Aufbauarbeit für die Casa di Goethe. Irgendwann heißt es dann, dass sie nach Rom gehen soll. "Ich habe daraufhin ein Jahr intensiven Einzelunterricht in Italienisch genommen", sagt die Museums-Chefin, die mit dem 1943 in Rom geborenen Schriftsteller Friedrich Christian Delius verheiratet ist.

Mittlerweile spricht sie die Sprache fließend - bei ihrem Arbeitsalltag ein absolutes Muss. Bongaerts: "In so einem kleinen Haus wie unserem muss man alles machen: "Veranstaltungen organisieren, Spenden akquirieren, Stipendiaten betreuen." Zu ihrem Berufsalltag gehören auch die Treffen mit berühmten Gästen des Hauses wie Grass, Brandauer oder Müller-Stahl.

Auch wenn sie keine Vollblut-Römerin geworden ist, muss sich Ursula Bongaerts doch jedes Mal umstellen, wenn sie nach Deutschland kommt: "In Rom ignoriere ich als Fußgängerin rote Ampeln. In Deutschland muss ich wieder aufpassen."

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