Hospizinitiative: Wenn der Tod ins Leben tritt

Seit 15 Jahren gibt es in Willich eine Hospizinitiative, deren Mitarbeiter Sterbende zu Hause begleiten.

Neersen. Ein offener Blick, ein offenes Ohr. Der Eindruck, der von der ersten Begegnung mit Marion Schmoranzer haften bleibt, ist der einer Persönlichkeit von lebenskluger Souveränität.

Marion Schmaronzer aus Neersen ist so, wie man sich eine gute Zuhörerin idealerweise vorstellt. Diese Fähigkeit muss sie immer wieder in Phasen unter Beweis stellen, in denen das Leben an seine Grenzen stößt, in erschütternden Situationen, in denen das Sterben in eine Familie platzt und sich Trauer, Hilfs- und Ratlosigkeit, Überforderung und Verzweiflung bei Patienten und Angehörigen Bahn brechen.

„Man muss das aushalten können“, sagt Marion Schmoranzer. Sie ist ehrenamtlich in der Hospizinitiative Willich tätig. Seit Anfang des Jahres — nach dem Tod von Vorgängerin Erika Röttgen — ist sie dort erste Ansprechpartnerin.

Die Initiative feiert nächste Woche ihr 15-jähriges Bestehen. Die Hospizgruppe Anrath wurde 1997 von einem Quartett katholischer Frauen gegründet, damals wie heute dabei sind Margarete Vornmoor und Elisabeth Mertens. Willich folgte 2002. Mit dem Jahreswechsel 2011/12 haben sich beide Gruppen zusammengeschlossen. Kreisweit koordiniert wird der ambulante Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst über die Viersener Zentrale.

„Leider hat Hospiz für viele die Bedeutung: morgen sterbe ich“, sagt Schmoranzer. „Oft werden wir erst spät gerufen. Dabei geht es uns darum, auch diese letzte Phase mit Leben zu füllen.“

Die Ehrenamtler besuchen Sterbenskranke und ihre Angehörigen zu Hause oder in den Altenheimen, begleiten und beraten sie unentgeltlich. „Wir können beispielsweise denen, die pflegen, Verschnaufpausen verschaffen, indem wir uns für ein paar Stunden an das Bett der Kranken setzen,“ sagt Schmoranzer. Schon das kann Entlastung für die bedeuten, die kopfüber in der Pflege stecken und immer nur denken: „Ich muss stark sein.“ Das versteht Schmoranzer unter einem „Dienst, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht“. Dieses Credo ist ihr Antrieb.

Neun Jahre lang hat die gelernte medizinisch technische Assistentin stationär in einem Hospiz in Gladbach gearbeitet. Auslöser für ihr Engagement war der Tod ihrer Mutter, während sie im Ausland lebte. Nach ihrer Rückkehr nach Neersen hat sich Marion Schmoranzer auf diese ehrenamtliche Aufgabe eingelassen.

Sie erlebt in der intensiven Betreuung „einen unheimlichen Gesprächsbedarf. Wir verschwenden keine Gedanken an den Tod, so lange es uns nicht betrifft“, stellt sie immer wieder fest. Angst mache ihr die Begegnung mit dem Sterben nicht. Alles Negative habe auch etwas Positives, sagt Marion Schmoranzer. „Die Demut kehrt zurück.“ Sie reflektiere ihr eigenes Leben intensiver. „Das kann sehr gewinnbringend sein.“

Die Hilfe der Hospizinitiative geht bei Bedarf über den Tod hinaus. „Wir bieten auch Trauerbewältigung an, wenn die Angehörigen das wünschen,“ sagt Marion Schmoranzer, die Zuhörerin, die weiß, „dass viele auf das irdische Leben fokussiert sind, aber Kranksein und Sterben gehören zum Leben auch dazu“.

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