Hommage an eine große Frau

Ihre persönliche Beziehung zu Gertrud Meyer, Ehefrau von Kurt Tucholsky, zelebrierte Astrid Jacob in einer Studio-Produktion.

Neersen. Dieser Abend ist Astrid Jacob ein tiefes persönliches Anliegen. Die Intendantin der Neersener Schlossfestspiele lässt die Zuschauer im Ratssaal dabei sein, wie sie Ende der 80er Jahre Gertrude Meyer traf.

Die jüdische Schwedin war in den letzten fünf Lebensjahren die Frau an der Seite des jüdischen Emigranten Kurt Tucholsky in Schweden. Eine Zeit, in der er nicht mehr schriftstellerisch oder journalistisch arbeiten durfte und sich in Depression um die Zustände in seiner Heimat am 21. Dezember 1935 das Leben nahm.

Anlass für die Begegnung mit Gertrude Meyer: Jacob hatte bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft ein Stück über die erstaunliche Frau gespielt. Deren Liebe zu Tucholsky ging so weit, dass sie nicht einmal daran Anstoß nahm, dass sie nur eine von mehreren Frauen in diesem Lebensabschnitt war, und ihn in seinem Überlebenskampf — ohne Einnahmen — beistand.

Dass „Tüde“ — wie Tucholsky sie nannte — noch am Leben war, wusste Jacob damals nicht. Das merkte sie, als sich deren und Rechtsanwalt bei ihr meldete: Jacob brauchte die Erlaubnis von Meyer, das Stück zu spielen.

Deutlich zeigte die Festspiel-Intendatin dem Publikum die Unsicherheit beider Frauen bei der ersten Begegnung. Jacobs Gestik, Mimik und Stimme wurden zu der von Gertrude Meyer, einer alten Dame von über 90 Jahren und ungeheurer Lebendigkeit. Sie transportiere deren anfängliche Skepsis und spätere Erleichterung über das gelungene Theaterstück.

Meyers Anerkennung für Astrid Jacob gipfelte in einem Schmuckgeschenk und ihrem persönlichen Vermächtnis: Jacob sollte das Fenster im Lichthof der Münchner Universität bauen lassen, das Meyer stiften wollte, um an die junge Widerstandskämpferin und Philosophin Sophie Scholl zu erinnern.

Jacobs intensive Bemühungen scheiterten. „Nun ist meine Vorstellung das Fenster, das das Ansinnen wach hält, das Gertrude Meyer mit dem Fenster verbindet“, sagte Jacob nach der Vorstellung.

Und wer beobachtete, wie sie sich nach der Vorstellung ganz unprätentiös auf den Bühnenboden setzte und Interessierten ihre persönliche Fotos von Gertrude Meyer zeigte, wusste, wie wichtig ihr dieser Abend war.

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