Ganz großartig: „My fair Lady“

Die Musical-Produktion des St. Bernhard-Gymnasiums ist ein Erlebnis. Besser kann Schultheater kaum sein.

Schiefbahn. Es ist einer dieser großartigen Momente im Leben, einer, von dem man hofft, dass er nicht enden möge und um Gottes Willen irgendeiner doch eine Videokamera mitlaufen lässt, um den Augenblick für die eigene Ewigkeit festzuhalten. Es ist so ein Moment, von dem man noch seinen Enkeln erzählen möchte.

Hans Michael Dücker und sein Sohn Christian baden und strudeln ebenso genussvoll wie erleichtert in Standing Ovations. Dücker senior hat gerade das exzellente Schulorchester des St. Bernhard-Gymnasiums zweieinhalb Stunden lang durch London dirigiert, es die Musical-Melodien von My Fair Lady zelebrieren lassen, hervorragend präsent, aber auch so einfühlsam tragend, dass es Solisten und Chor stets frei atmen ließ.

Junior Christian Dücker ist einer der Stars in diesem Musical-Ensemble aus Schülern und Lehrern. Er spielt Professor Higgins, den verschrobenen, herablassenden, zu oft schonungslosen Wissenschaftler, der davon überzeugt ist, dass die (Aus-)Sprache den Menschen ausmacht, nicht seine Herkunft.

Er spielt von der ersten Bühnenüberquerung an so pointiert, als sei ihm diese Rolle auf den Leib geschrieben worden. Neben ihm glänzt Eliza Doolittle (wunderbar wandelbar Laura Durke), das „entzückend ordinäre“ Blumenmädchen aus Covent Garden, aus dem er nach einer Wette mit Oberst Pickering (Thomas Kubo, in zunehmend glänzenderer Spiellaune) in sechs Monaten sprachlich eine Herzogin machen will.

Ihren Rinnsteinjargon, der Eliza an die Gosse fesselt, treibt Higgins mit phonetischen Übungen aus. „Sie soll lernen, wie man wunderbar spricht.“ Und singen kann sie auch noch. Wie ihr Vater. Norbert Kaulhausen, neben Kollegin Kerstin Callsen für die Inszenierung verantwortlich, spielt Alfred P. Doolittle temperamentvoll und mitreißend, umgeben von den Sorpan-, Alt-, Tenor- und Bassstimmen des Schulchores.

Das ist kein Chor, der wie eine Requisite am Bühnenrand festgezurrt stehen bleibt. Das sind Sänger, die mitspielen. Charme und amüsierte Verliebtheit verkörpert Clemens Schleupner als Elizas Verehrer Freddy überzeugend .

Herrlich spröde, mit einer Singstimme zum Aufhorchen, spielt Helena Pribliczki Higgins Dienerin Mrs. Pearce. Auch ein Liebling des Publikums: Lehrerin Ingrida Ville-Tapper als Mrs. Higgins. Wunderbare Regieeinfälle beleben die Aufführung und lassen in zweieinhalb Stunden nicht eine Sekunde Trägheit oder Langeweile zu. Überraschend, als über ein Dutzend junger Schülerinnen als Jockeys ein Rennen von Ascot im Zuschauerraum zum hautnahen Erlebnis machen.

Auch an den schönen Kostümen, Kleidern, Hüten, Anzügen, die Kaulhausen als Leiter der Statisterie der Rheinoper Düsseldorf entliehen hat, konnte man sich nicht satt sehen.

Für Hans Michael Dücker ist mit dieser Inszenierung ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. In den frühen 60er Jahren hatten seine Eltern das Musical in Berlin erlebt und geschwärmt. My Fair Lady ließ Dücker fortan nicht los. Er träumte davon einmal Professor Higgins zu spielen. Lange habe er darüber nachgedacht, ob eine Inszenierung in der Schule machbar sei.

Aber die Besetzung der Solorollen und die Fähigkeiten eines Schulorchesters erschienen ihm „lange Zeit als zu problematisch“. Vor zwei Jahren habe sich abgezeichnet, „dass ich“, so Dücker, „vor allem für die Besetzung der männlichen Solisten geeignete Leute finden könnte und für die Instrumentalbesetzung eine Gruppe zur Verfügung hatte, die man nicht oft zusammenbekommt.“

Wie gut sein Sohn seinen Higgins gespielt hat, kann er nun irgendwann einmal seinen Enkeln und Urenkeln erzählen.

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