Willich Frustrierter Willicher Unternehmer schreibt Brief an die Kanzlerin

Ein Unternehmer aus dem Kreis Viersen sendet einen „Hilfeschrei“ an die Bundeskanzlerin und berichtet von seinem Überlebenskampf.

Willich: Frustrierter Willicher Unternehmer schreibt Brief an die Kanzlerin
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Willich. Post aus der Stadt Willich hat in der vergangenen Woche Bundeskanzlerin Angela Merkel bekommen. Abgeschickt hat diesen „Hilfeschrei“ ein „mehr als demotivierten Kleinunternehmer“, der die Kraft der Kanzlerin bewundert — sie selbst aber gerade verliert.

Der Mann, der im WZ-Artikel anonym bleiben möchte, hat einen gut gehenden Betrieb mit 15 Mitarbeitern und engagiert sich auch in seinem Berufsverband sowie als Referent. Er habe regelmäßig 7-Tage-Wochen. „ So geht es nicht nur mir, sondern vielen anderen kleinen Unternehmern.“

Und dann redet er Tacheles: „Leider bleibt von der vielen Arbeit kaum etwas übrig. Gerade im Moment ist das Wirtschaften kein Vergnügen, weil wir am Rande unserer Liquidität arbeiten.“ Grund sei die unerträgliche Steuerlast. „Ängste, Verzweiflung und Demotivation zerstören große Teile meiner Persönlichkeit und die Lust an der Arbeit. Ich könnte alles hinschmeißen.“

Wäre er Politiker oder Manager, würde er zurücktreten und alle Probleme wären verschwunden, sagt der Mann. „Aber ich bin sicher, wenn ich zu meiner Bank oder zum Gewerbeaufsichtsamt gehe und sagen würde, ich trete zurück, würde ich ausgelacht.“ Als Unternehmer komme man da so leicht nicht raus. „Ich habe keine Lust mehr, Überweisungen an die Finanzverwaltung auszuführen, wie ich sie als Privatentnahme noch nie aus meinem Unternehmen getätigt habe. Der Staat bekommt mehr Euro durch meine Arbeit als ich.“ Und was bleibe, sei „ein Liquiditäts-Engpass, der einem die Luft zum Atmen nimmt“.

Aktuell hat ihn der Fall Air Berlin besonders geärgert. „Die Großen werden gerettet, die Kleinen belastet. Das ist so unfassbar unfair aus meinem Blickwinkel!“ Air Berlin dürfe jahrelang schlecht wirtschaften, kündige Insolvenz an — und am gleichen Tag komme Hilfe vom Staat über 150 Millionen Euro. „Wenn ich Kredit beantrage, egal, wie dringlich es ist, dauert die Zusage viel, viel länger.“

Der Wunsch des Willichers: Politiker sollten sich mit dem Leben von Kleinunternehmern auseinandersetzen, um zu erkennen, wie viel Arbeit und Energie man investiere. „Dafür ernten wir von staatlicher Seite aber niemals Dank, sondern einem wird noch eher unterstellt, dass man ein Straftäter ist und Steuern hinterzieht sowie Menschen unterhalb des Mindestlohnes beschäftigt.“

Da komme der Zoll mitten im Alltags-Betrieb ins Geschäft und behandele einen wie einen Straftäter. Und selbst wenn man nachweise, dass alle Arbeitsverhältnisse ordentlich geführt werden, bekomme man eine Reaktion, die so wirke, als habe man nur noch nicht den Fehler gefunden. „Als ich die Zollbeamten fragte, ob ich ein Schreiben bekommen könnte, das mich als gesetzestreu geführtes Unternehmer auszeichnet, erntete ich nur ein Lächeln.“

Kern seiner Verzweiflung: Er habe den Jahresabschluss 2015 fristgerecht abgegeben. Dafür ergab sich eine Nachzahlung: „Einverstanden, die muss geleistet werden.“ Gleichzeitig werde dann aber der gleiche Gewinn für 2016 veranschlagt und auch für 2017. Also komme zusätzlich zur Nachzahlung 2015 die Anpassung 2016 und die Erhöhung der Vorauszahlungen für 2017. Und dies alles im Juni 17: „Somit bekam ich die Zahlungsaufforderung von über 22 000 Euro. Dadurch lösen sich alle Rücklagen auf, das Konto gerät in die Überziehung und laufende Rechnungen müssen liegen bleiben. Auf meine Nachfragen, ob der Betrag gestundet werden oder die Vorauszahlung 2016 ausgesetzt werden könne bis zum Jahresabschluss 2016, bekommt man klare Neins zur Antwort.“ Man werde belehrt, dass Steuern pünktlich bezahlt werden müssten und der Staat keine Bank sei.

„Ach so, außer bei Air Berlin? Da ist der Staat eine Bank? Ich will keine Millionen, wie Air Berlin, ich will nur etwas Zeit“, so der Willicher im Brief an die Kanzlerin. Sein Vorschlag wäre, Steuernachzahlungen nach einem Jahresabschluss zu veranlagen und nicht gleich die nächsten zwei Jahre mit anzupassen.

„Bitte sorgen Sie für kleine Unternehmer und deren Gefühl, gebraucht, geachtet und unterstützt zu werden“, appelliert der Willicher an Angela Merkel: „Ich bin frustriert und demotiviert, deswegen lebe und arbeite ich nicht mehr gerne in Deutschland.“

Eine Antwort aus dem Kanzleramt in Berlin ist bisher noch nicht in Willich eingegangen.

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