Der Boss geht in Rente

Interview: Am 15. Juni wird der Leiter der Johannesschule Rentner. Ein paar Fragen noch, Herr Segerath.

<strong>Anrath. Der Mann packt seine sieben (Schul-)Sachen und geht. Er kehrt zum Ende dieses Schuljahres, also im Sommer, der Johannesschule den Rücken und wird nach den großen Ferien statt Rektor ein Ruheständler sein. Hans Gerd Segerath geht aber nicht, die wichtigsten Fragen zu beantworten. Westdeutsche Zeitung: Also, Herr Segerath, vervollständigen Sie den Satz: Wenn ich heute noch einmal die Berufswahl hätte, dann würde ich. . .

Hans Gerd Segerath: . . . wieder Lehrer werden! Ich hatte nie Langeweile.

WZ: Lehrer zu sein war früher. . .

Segerath: . . . schmalspuriger. Früher waren Lehrer vorrangig Wissensvermittler und an zweiter Stelle Erzieher. Die gesellschaftliche Entwicklung hat es zu zwei gleichrangigen Aufgaben gemacht. Nicht zuletzt deswegen habe ich die Ganztagsschule initiiert.

WZ: Zu meinen Lieblingsaufgaben als Lehrer zählt(e). . .

Segerath: . . . über das Fach Lebenswirklichkeit zu erzeugen. In Mathematik zum Beispiel: Prozentrechnung, Geometrie, Häuserbau - da muss man klar machen: Die Welt besteht aus Mathematik und die Strukturen muss man erkennen. Wenn man mit Zahlen nicht umgehen kann, dann wird man leichter übervorteilt.

WZ: Und die Lieblingsaufgabe als Rektor?

Segerath: Ich wollte immer Schule machen, nicht erdulden. Teamarbeit mit Kollegen habe ich immer gern gemacht. Ein Schulleiter ist auch für das Klima an Schule zuständig. Man muss auch miteinander Spaß haben.

WZ: Schule ist heute ein Ort . . .

Segerath: . . . an dem Lehrer Hilfen zum Lernen geben. Ein Ort, der langsam umstrukturiert wird in Richtung Familienersatz. Ein Ort, an dem sich Schüler zu Hause fühlen sollten. Und in dem Lehrer nur im Team Erfolg haben.

WZ: Die Jugend von heute ist. . .

Segerath: . . . selbstbewusst, aufgeweckt, rebellisch, vielfältig interessiert, nicht leicht zu führen.

WZ: Das Leistungsniveau der Schüler ist. . .

Segerath: . . . nicht anders als zu früheren Zeiten. Schlechter ist nicht wahr. Schüler haben eine Fülle von Aufgaben, die es früher nicht gab. Da werden Neigungen und Aversionen geweckt. Es ist ein deutliches Stück schwieriger für die Lehrer geworden. Die grundlegenden technischen Fertigkeiten, als Schreiben, Rechnen und Lesen, müssten intensiviert werden. Und es müsste mehr in soziale Kompetenzen und Arbeitsverhalten von Schülern investiert werden.

WZ: Ich bin stolz auf meine Schüler, wenn. . .

Segerath: . . . sie sozial handeln und an ihre Leistungsgrenzen gehen.

WZ: Ich ärgere mich über sie. . .

Segerath: . . . wenn sie unsozial handeln und ihren Job als Schüler nicht erledigen.

WZ: Der Ruhestand ängstigt mich. . .

Segerath: . . . überhaupt nicht.

WZ: Ich freue mich auf. . .

Segerath: . . . meine Hobbys, unter anderem das Reisen. Die erste Fahrt im Ruhestand führt meine Frau und mich nach Irland. Außerdem habe ich zwei Töchter und werde in diesen Tagen zum dritten Mal Großvater. Vielleicht kommt mein dritter Enkel ja schon zu meiner Verabschiedung.

WZ: Ich werden den täglichen Gang zur Schule. . .

Segerath: . . . spätestens nach dreieinhalb Wochen vermissen.

WZ: Meinem Nachfolger (oder Nachfolgerin) wünsche ich. . .

Segerath: . . . mehrere Dinge: 1. Viel Fortune im Umsetzen seiner pädagogischen Vorstellungen. 2. die Gelassenheit, Contenance, die man dazu braucht. 3. ein Team, in dem er oder sie sich aufgehoben fühlt, und 4. Schüler, die sich selber ernst nehmen.

WZ: Wenn ich für die Johannesschule drei Wünsche frei hätte, dann. . .

Segerath: . . . wünschte ich mir immer einen Lehrer mehr als wir wirklich brauchen. Außerdem eine Bausituation, in der Lernen Spaß macht. Und eine Verwaltung in Düsseldorf, die Regeln und Gesetzmäßigkeiten schafft, die das Lernen fördern und nicht behindern.

WZ: Zum Abschied würde ich mich über diesen Satz eines Schülers freuen. . .

Segerath: Vielleicht einen, den ich kürzlich als Email bekommen habe. Es ging um die Terminabsprache für ein Klassentreffen mit ehemaligen Schülern der Hauptschule Ottweiler Straße in Düsseldorf, wo ich Referendar war. Diese Klasse habe ich bis zum Ende geführt. Der 2. Klassensprecher schrieb mir nun: "Boss, ich hoffe Du kannst, ohne Dich läuft nix."

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