Bürgerumfrage: Was wird aus der Anrather Alleeschule?

WZ vor Ort: Am Umfragebus der Rollenden Redaktion konnten die Anrather erklären, wie sie zu einem Verkauf des Gebäudes stehen.

Anrath. Was soll denn jetzt werden aus der Alleeschule in Anrath? Wenn’s nach CDU und Stadtverwaltung geht, wird das Gebäude verkauft und aus dem Erlös unter anderem der Betrieb einer Seniorenbegegnungsstätte finanziert und die Feuerwehr renoviert. Die SPD sähe am liebsten ein Bürgerzentrum dort. Die WZ hat ihre Rollende Redaktion am Donnerstag vor die Schule gestellt und die Anrather selbst gefragt. Und der Andrang konnte sich sehen lassen.

„Die Schule soll auf jeden Fall bleiben“, plädiert Marga Thiel. Die Ur-Anratherin hält aber auch nichts davon, hier ein Bürgerzentrum zu installieren. „Da sollte man lieber die ehemalige Kneipe Knabben an der Kirche abreißen und dort was Schönes bauen.“

Ebenfalls wenig von den Verkaufsplänen begeistert sind die Schülerinnen Jaqueline Juntermann und Lena Ter Thoren. „Am besten sollte da sogar eine Schule bleiben“, sagt Jaqueline, während ihre Freundin fragt: „Was soll denn das?“ Ein Verkauf sei in ihren Augen „voll blöd“.

„Warum diese Aufregung?“, fragt SPD-Mann Detlef Nicola, der aus Neersen angereist ist. Seine Partei habe lediglich angeregt, ein Bürgerzentrum einzurichten. Die Idee als solche sei schon uralt. „Eine Forderung in diese Richtung haben wir nie gestellt.“

„Ich habe schon vor Jahren gesagt, dass man in der früheren Gaststätte Knabben Wohnraum schaffen soll“, sagt ein älterer Anrather, der seinen Namen nicht nennen mag. „Das ist nur eine Frage des Preises, den man für das Gebäude zahlen muss.“

Eine Rechnung offen hat dagegen Karla Meiendresch, Vorsitzende des Bürgervereins Anrath. „Ich verwahre mich gegen Aussagen von Markus Gather (SPD-Mann aus Anrath; Anm. d. Red.), dass der Bürgerverein eine Lobbygruppe sei. Wir sind überparteilich und haben das oft genug bewiesen.“ Ein Bürgerzentrum in der ehemaligen Schule einzurichten, gehe nicht so schnell, wie manche sich das vorstellten. „Wir haben nur aus der Zeitung erfahren, dass die SPD die Schule besichtigt hat. Wo konnte man sich dafür anmelden? Wir wären gerne mitgekommen“, sagt Roswitha Brück, Geschäftsführerin des Bürgerverein. Zwar habe ihr Verein ein Büro in den Gebäude, aber in die anderen Räume komme man nie hinein.

„Die Alleeschule ist nicht singulär zu sehen“, sagt Dieter Lambertz, stellvertretender Bürgermeister (CDU) und Anrather. Er verteidigt die Tauschaktion mit den Vereinen und den möglichen Verkauf. Und: „Wenn man mit Investoren spricht, kann man das nur in nichtöffentlichen Teilen von Ausschuss-Sitzungen tun.“ Er selbst sei mit mehreren Investoren unterwegs gewesen und habe sich vor Ort ein Bild gemacht. Eines sei allerdings klar: „Schon vor Jahren hat der SPD-Kämmerer gesagt, dass für ein Bürgerzentrum kein Geld da ist.“

Diese Äußerungen bringen Friedel Kluth auf die Palme. „Ich bin äußerst unzufrieden mit der Entwicklung. Das ist das Herausspielen der absoluten Mehrheit. Die Arroganz der Macht.“ Hier seien hinter verschlossenen Türen Fakten geschaffen worden. „Das ist kein demokratisches Vorgehen und für mich ein handfester Skandal“, erklärt Kluth, der auch SPD-Mitglied ist. Zunächst gehöre einmal alles auf den Tisch und müssten sämtliche Möglichkeiten diskutiert werden.

Ähnlich argumentiert „Mister Handball“, Klaus Schwelm. „Ein Verkauf der Alleeschule wäre ein Verlust für die Bürger. Ein Zentrum dagegen eine Chance für die Vereine.“ Alle könnten ein Büro einrichten und mit einer angestellten Kraft könnte man eine Anlaufstelle für die Bürger schaffen.

„Wenn man einen Investor findet, soll man mit dem was machen“, fordert Friedhelm Commans. Der langjährige Chef des Werberings hält nichts davon, ein Haus für die Vereine in der alten Schule zu installieren. „Wir haben schon genug Vereinsheime und dann würden weitere Gaststätten sterben.“

„Wir haben mit einem Verkauf der Alleeschule die Möglichkeit, einen Rettungswagen bei der Feuerwehr zu positionieren“, sagt Geschäftsmann Jürgen Wingerath. Er ist für einen Verkauf der Alleeschule an einen Investor. Zudem könne man bei der Feuerwehr dann vielleicht auch den Bürgerbus unterstellen. „Der ist für die Geschäftswelt unglaublich wichtig“, sagt Wingerath. Richtung SPD schiebt er hinterher: „Wir werden von Lehrern und Beamten regiert. Die sind weit weg von der Realität.“

„Hat man denn überhaupt schon mal mit dem Roten Kreuz gesprochen?“, fragt Wilfried Feld. Man müsse ausloten, wie die Vereine zu dem Vorhaben stünden. „Dann braucht man nicht zu verkaufen und kann in der Schule ein schönes Begegnungszentrum einrichten.“ Frust dagegen bei einer Seniorin: „Wir sollen doch wieder nur in den Keller oder ins Souterrrain abgeschoben werden“, sagt sie.

„Auch für junge Menschen ist die Idee eines Bürgerzentrums im Ortskern sehr ansprechend und wichtig“, sagt Lisa Krimgen. Außerhalb von Gaststätten gebe es in Anrath eine solche Möglichkeit zum Treffen nicht. „Meiner Meinung nach sollte das Alleeschulgebäude als Anlaufstelle für alle Generationen zur Verfügung stehen und es sollte bei der Entscheidung, was damit geschieht, nicht so über uns hinweggegangen werden.“ „Seit zehn Jahren wird die Forderung der SPD, die Alleeschule als Bürgerzentrum zu nutzen, in allen Parteiprogrammen wiederholt. Wie das endgültige Nutzungskonzept dann aussieht, soll gemeinsam von Verwaltung, Bürgern, Vereinsvertretern, Politik, usw. erarbeitet werden“, sagt SPD-Mann Uli Winkler. Für Vorschläge zur Finanzierung sei zunächst die Verwaltung zuständig. Dieser Vorschlag der Anrather SPD müsse und solle nicht konträr zu den Vorschlägen der CDU stehen.

„Die ganze Idee des Verkaufs ist schon ein starkes Stück“, behauptet Hans Gerd Segerath. Die größten Vereine Anraths wie auch viele kleinere seien in „diese geheime Kommandosache“ nicht eingebunden worden. „Besonders undemokratisch ist das Verfahren dadurch, dass die gewählten politischen Vertreter anderer Parteien bis jetzt draußen vor der Tür gehalten wurden und am Ende nur noch abnicken dürfen, was die CDU fabriziert.“ Man könne dieses Verfahren schon als „putinesk“ bezeichnen, merkt der FDP-Mann ein wenig polemisch an. Das Gebäude sei für öffentliche Zwecke geeignet, nicht für Seniorenwohnungen. Dafür wäre in der „Knabben“-Umgebung genug Platz.

Rolf Kirsebauer, ebenfalls FDP, geht auf die Finanzierung ein: Es stimme zwar schon, dass Ebbe in den Kassen der Stadt herrsche, allerdings müsse trotzdem eine Lösung gefunden werden, bei der die Bürger einbezogen sind.

Auch das junge SPD-Mitglied Hendrik Pempelfort spricht sich für ein „Allgenerationenhaus“ aus: Junge Leute könnten Lerngruppen in den Räumen einrichten, um zusammen zu lernen, ältere Mitbürger sich treffen und zusammen den Nachmittag verbringen. „Die Anrather haben durchaus Lust, an der Demokratie teilzunehmen. Das ist eine große Chance für Willich, die nur noch genutzt werden muss“, so Pempelfort.

Ingrid N. findet die ganze Diskussion nicht zeitgemäß: „Die Verhältnisse sind hier wie im Frankreich des Absolutismus, das ist Klientelpolitik.“ Das 100 Jahre alte Haus möchte auch sie nicht an private Investoren verlieren und fügt hinzu: „Hier habe ich rechnen und schreiben gelernt“. Pikiert ist sie darüber, dass ein historisches Haus für die Feuerwehr-Sanierung verkauft werden solle: „Ich verkaufe auch nicht einfach mein kostbares Tafelsilber, wenn ich Geld brauche.“

„Das schöne Anrath kenne ich nur aus Heimatbüchern“, sagt Alexandra Nöhles, die vom Fahrrad steigt und ihrer Vorrednerin eifrig zustimmt.

Rudolf Jungebloed sagt, er sehe das alles ganz pragmatisch, nicht politisch. Für ihn sei das so sicher „wie das Amen in der Kirche“: Das Alleeschulgebäude könne man nicht privaten Investoren überlassen. Vereine könnten genauso für die Finanzierung sorgen. Wichtig sei nur, das man sie über einen langen Zeitraum mit festen Verträgen binde. Er befürchtet zudem, dass bei einem Verkauf dem Abriss des Gebäudes nichts mehr im Weg stehen würde.

„Es wurde immer gesagt, die Schule wird noch gebraucht“, erklärt Hedwig Segler und jetzt wo das nicht mehr der Fall sei, „sind alle vorigen Gedanken für die Katz“. Der Alt-Willicher Dietmar Winkels versucht eher, das Problem lösen: „Man muss sich konstruktiv zusammensetzen. Das, was dem Bürger zugute kommt, sollte im Vordergrund stehen.

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