Anraths Wohl hing am seidenen Faden

Stadtarchivar Udo Holzenthal berichtete über das "Weberdorf" und seinen Wandel. 2010 wird es 1000 Jahre alt.

Anrath. 2010 wird Anrath 1000 Jahre alt. Schon am Dienstagabend erzählte Udo Holzenthal, Archivar der Stadt Willich, aus diesem Anlass die Geschichte Anraths, einem Weberdorf. In der Aula des Lise-Meitner-Gymnasiums waren alle Blicke auf die anschaulichen alten Bilder gerichtet, die auf eine Leinwand projektiert wurden.

Seit dem Mittelalter, so der Archivar, wurde am Niederrhein Flachs in großen Mengen angebaut. Die hohe Qualität des daraus gewonnenen Stoffes war in ganz Europa gefragt.

Mitte des 18. Jahrhunderts war das aus Flachs gewonnene Leinen, bislang vor allem in Anrath in Heimarbeit gefertigt, durch Baumwolle abgelöst worden. Mit dem Aufblühen Krefelds als Samt- und Seidenstadt mussten sich die Anrather Weber umorientieren. Sie fertigten in Heimarbeit Stoffe für die Weiterverarbeitung in Krefeld.

In den 1880er Jahren verloren die Hauswebereien durch verbesserte Webstühle an Bedeutung. Während sich Neersen, Schiefbahn und Willich durch Landwirtschaft retten konnten, fielen die Anrather Bürger in eine tiefe Krise. Von der Armenkasse abhängig, verließen viele den Ort, um sich woanders neue Existenzen aufzubauen.

Zur Wirtschaftsförderung wurde 1904 das königliche Gefängnis gebaut. Jakob Krebs eröffnete eine Tuchfabrik in Anrath. In Neersen baute Gustav Klemme eine Textilfabrik, die Firma Deuß&Oetker machte sich in Schiefbahn ansässig.

In Anrath eröffneten die Webhallen von Jammers&Leuffgen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Verseidag gegründet. Während die Schiefbahner Weberei 1997 stillgelegt wurde, produziert die Anrather Verseidag (ehemals Seidenweberei Carl Lange) noch heute etwa 16 Millionen Meter Futterstoff im Jahr.

Jammers&Leuffgen waren lange Zeit Marktführer für Krawatten, Schals und andere Accessoires in Deutschland. Heute beschränken sich die Tätigkeiten auf den Vertrieb und nicht mehr auf die eigene Herstellung.

"Wenn es dem Webhandwerk gut ging, dann ging es auch den Anrather Bürgern gut. Wenn es ihm schlecht ging, dann litten auch die Bürger", betonte Holzenthal seinen Vortrag. So war und ist das Textilhandwerk bis heute ein fester Bestandteil im Anrather Alltag.

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