Tango mit arabischen Harmonien

Kultur: Im Mai finden die Neo-Tango-Tage statt. Höhepunkt ist ein Abend mit Otros Aires aus Argentinien in der Festhalle.

Viersen. Tango berauscht. Und ist auch immer ein Spiegel der Seele und der Gesellschaft. Und so wundert es nicht, dass der Tanz, der Anfang des 20.Jahrhunderts aus dem argentinischen Buenos Aires über den Atlantik nach Europa kam, auch heute noch polarisiert. Es gibt Tangofreunde und Tangohasser.

Zu ersteren zählen Renate Wienes, Bärbel Lonczyk und Michael Wittich, Eigentümer des Tangoluna in der Alten Manufaktur an der Sittarder Straße. Bereits zum zweiten Mal organisieren sie die "Neo-Tango-Tage" in Viersen und wagen in diesem Jahr erstmals den Schritt, den faszinierenden Tanz mit großer Geschichte im Rahmen eines Festivals mit zahlreichen Workshops stattfinden zu lassen. Höhepunkt ist ein großer Tango-Salon mit Livemusik in der Festhalle am Samstag, 10. Mai.

Doch wer dabei an schwere Samtvorhänge, den rauchigen Duft von Cohibas und melancholische Gesänge zum Bandonium denkt, kennt noch nicht die Welt von Neo-Tango. "Entstanden ist die Idee vor gut sieben Jahren", erzählt Tanzlehrerin und Workshopleiterin Bärbel Lonczyk. Das neue: Alles ist erlaubt, starre Tanzhaltungen können und sollen aufgelöst werden, Figuren zählen nicht mehr, nur noch die Bewegung. "Der Grundgedanke ist bei Tangosalons deutlich sichtbar", sagt die 46-Jährige. "Die einen kommen im Paillettenkleidchen mit Tanzschuhen, die anderen in Jute und Sandalen."

Auch bei der Musik geht Neo-Tango neue Wege: Die klassische Besetzung wird aufgebrochen, der tradierte Rhythmus kann auch mit elektronischen Beats oder arabischen Harmonien unterlegt werden. "Es ist eben alles erlaubt, was gefällt", sagt Michael Wittich. Für ihn ist Tango weniger ein Tanz, als eine Sprache, die überall verstanden wird. "Man kann Tango-Salons in Barcelona oder Paris besuchen und dort mit wildfremden Partnern tanzen, weil sie den gleichen Schritt beherrschen."

Dass viele Paare gerade mit Tango ihre Probleme haben, ist für den 53-Jährigen nichts Neues: "Männer sind es gewohnt, sich in eine Rangordnung einzufügen, einer bestimmten Ordnung zu folgen oder zumindest beim Tanzen führen zu müssen. Das klappt beim Tango nicht. Tango reißt die mühsam gewebten rosa Deckchen über Beziehungen weg." Er ist überzeugt: "Wer lange Zeit Tango tanzt und dabei zusammenbleibt, hat den Partner fürs Leben gefunden."

Insgesamt 25 Workshops mit acht Instruktoren sollen an drei Tagen zwischen Freitag und Montag, 9. bis 12.Mai, angeboten werden. Mit dabei sind Kurse für Einsteiger wie auch für Leute mit Tanzphobie. Lonczyk: "Ein Paarkurs richtet sich speziell an Leute, die Angst vor dem Betreten der Tanzfläche haben. Auf heiterem Wege soll Paarharmonie trainiert werden, auf die dann mit einem Ergänzungskurs weiter aufgebaut werden kann."

Wichtig für die Workshopleiterin ist aber, dass Tango ein Paartanz sein kann, aber nicht muss: "Aus Mangel an Damen wurde bereits vor 100 Jahren in Buenos Aires Tango auch unter Männern getanzt, ohne dass damals etwas Anrüchiges daran zu finden war." Und so stehen auf Programm auch Kurse, in denen gleichgeschlechtliche Partner miteinander tanzen.

Das Bonbon ist jedoch ein Auftritt der Gruppe Otros Aires aus Argentinien am Samstag, 10.Mai, in der Festhalle, derzeit die wichtigsten musikalischen Vertreter der Neo Tango-Szene. Die Verwirklichung dieses Abends, zu dem in der Festhalle auch getanzt werden soll, liegt Michael Wittlich so sehr am Herzen, dass er bereit wäre, die Aktion mit privaten Mitteln zu finanzieren. "Bislang fand sich nur ein Sponsor, der uns ein wenig unterstützt", berichtet er. Doch der 53-Jährige hofft, dass sich daran noch etwas ändert. Und auch Hoffnung ist schließlich ein Gefühl, das gut zum Tango passt.

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