Flaggen wehen auf Halbmast

Blankes Entsetzen herrscht rund um den Tatort, an dem am Dienstagabend drei Menschen ums Leben kamen.

Schwalmtal. Der Schock sitzt tief. Am Tag nach der Bluttat mit drei Toten prägen Polizeiautos, Absperrungen, Spurensicherung, Ü-Wagen der Fernsehsender und Kameraleute im beschaulichen Amern das Bild. Einen solchen Rummel kennt man hier in den kleinen Stichstraßen der Wohnsiedlung nicht.

"Ich kann es nicht fassen, eine Schießerei direkt bei uns", sagt Tanja Mühling, die vor der Absperrung am Tatort steht. "Wir sind auch in Sorge um unsere Kinder, da haben wohl einige was mitbekommen", sagt Anwohnerin Martina.

Nachbarn erzählen von einem eher unauffälligen und "normalen" Paar bis zur Trennung. Der Senior sei dagegen öfter negativ aufgefallen. "Es versteht einfach keiner, was hier passiert ist", sagt Daniel Bohlenz.

Bis das aufgearbeitet ist, wird es wohl noch eine Weile dauern. Drei Menschen haben ihr Leben verloren. Menschen, die Opfer einer Wahnsinnstat wurden. Menschen, die nur ihre Arbeit tun wollten. Der 71-jährige Hans P. hat sie erschossen. Weil er wohl die lange Scheidungsgeschichte seiner Tochter und das Gezerre um das Haus, an dem er selbst mitgearbeitet hatte, nicht verkraften konnte.

Die Opfer sind die beiden 70 und 38 Jahre alten Rechtsanwälte aus Viersen und Nettetal, die die Scheidung der seit einigen Jahren getrennt lebenden Eheleute Barbara und Hubert K. (beide 44) regeln wollten. Erschossen wurde auch ein 48-jähriger Gutachter vom Katasteramt der Viersener Kreisverwaltung; sein zwei Jahre älterer Kollege hatte Glück. Er wurde von zwei Schüssen getroffen, wurde noch in der Nacht in einem Viersener Krankenhaus operiert und ist inzwischen außer Lebensgefahr.

In der Viersener Kreisverwaltung löste die Nachricht tiefe Betroffenheit aus. Landrat Peter Ottmann hatte die Mitarbeiter über E-Mail darüber informiert, dass ein Mitarbeiter des Vermessungs- und Katasteramtes zu den Opfern der Schießerei in Amern gehört. Beide Mitarbeiter waren im dienstlichen Auftrag unterwegs, bestätigt Ottmann im Gespräch mit der WZ. Sie sollten ein Gutachten erstellen über den Verkehrswert des zur Zwangsversteigerung anstehenden Hauses in Amern.

Ottmann drückte der Familie des Opfers sein Bedauern im Namen des Kreises aus. Die Verwaltung hat im Eingangsbereich der Viersener Kreisverwaltung ein Kondolenzbuch ausgelegt. Die Dienstflagge des Kreises Viersen weht auf Halbmast.

Der Landrat selbst war am Abend der Tat von der Polizei informiert worden. Nach der Verleihung des Bürgerpreises in Nettetal war er zum Tatort gefahren. Begleitet wurde er vom Chef der Krefelder Sparkasse, Ludger Gooßens. Zunächst hatte es geheißen, dass auch ein Sparkassenmitarbeiter unter den Opfern sei. "Auch vor Ort war die Lage völlig unübersichtlich", so Ottmann.

"Ich habe kaum geschlafen", sagt Schwalmtals Bürgermeister Reinhold Schulz im Gespräch mit der WZ. Er war von der Polizei hinzugezogen worden, hatte im Rathaus die Baupläne des Hauses herausgesucht. "Das Rathaus war zu dem Zeitpunkt schon leer, da ist es gut, wenn man sich auskennt." Die Pläne brauchte die Polizei für den geplanten Zugriff. Worte findet Schulz einen Tag nach der Tragödie immer noch schwer. "Der Schock sitzt tief. Ich denke, für die ganze Gemeinde." Schulz ordnete für den gesamten Ort Trauerbeflaggung an.

CDU, SPD, Grüne und FDP einigten sich darauf, in dieser Woche auf den Straßenwahlkampf zu verzichten. "Die Gedanken aller Schwalmtaler sind derzeit nicht bei den bunten Ständen des politischen Wettbewerbs, sondern gelten zu Recht den Opfern und ihren Angehörigen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

Immer noch schüttelt Sven Engelmann ungläubig den Kopf. Er hat den Polizeieinsatz von seinem Küchenfenster verfolgt. "Ich habe gedacht, das ist eine Übung, als die Polizisten die Schutzwesten angezogen haben, aber leider war es traurige Wirklichkeit."

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