Festival in Moers: Die bunte Welt des Jazz

Alle Jahre wieder verwandelt sich der Schlosspark Moers in einen kulturellen Schmelztiegel. Schwerpunkt diesmal: die New Yorker Szene.

Moers. Zwischen Bäumen, Wiesen und Wegen hat er sich breit gemacht, der Homo Exodus. Er lehnte dösend an Baumstämmen, versammelte sich um Feuerstätten, teilte auf Schiefertafeln seine Existenz mit. Vier Tage lang verwandelte sich der Moerser Freizeitpark in eine einzige große Zeltstadt und wurde so zum kulturellen Schmelztiegel des Jahres: Willkommen beim 38. Moers Festival.

Den meisten Besuchern ging es um "nette Menschen, gute Laune und sehr gutes Zelten", wie Ginger es beschreibt. Fernab vom eigentlichen Festivalzelt hatten die 19-Jährige und ihre Freunde aus Mönchengladbach ihre Zelte aufgeschlagen und feierten "friedlich, bunt und offen" umsonst und draußen.

Laut Veranstalter sollte es musikalisch ja "rau, schnell und bunt" zugehen - aber galt dies auch außermusikalisch? Die dicht bevölkerten Hauptverkehrsadern durch das Festivalgelände, gesäumt von Verkaufsständen und Schaulustigen, waren ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, ein Schaulaufen der Kulturen.

Die "Bühne der Welt", wie sie der künstlerische Leiter Reiner Michalke forderte, ging folglich über die Konzertstätten hinaus und fiel auch hier entsprechend bunt aus. Dabei ging das friedliche Miteinander mit rauen Sitten einher, was einen spannenden Kontrast bildete und den Reiz, in Moers dabei zu sein, erklären zu können scheint: Dosenravioli und Reggae, Bier und Beatmusik, Zeltstädtisches und Weltjazz - eben ein Ort, an dem Kultur im weitesten Sinne zelebriert, gemacht und weiterentwickelt wird.

Als schnell erschien lediglich der Wechsel zwischen Festival und Festivalzelt; hier die Bühne der Stars, dort der alternative Part. Die Beweggründe der Kartenbesitzer, nach Moers zu kommen, reichen von der Liebe zum Jazz bis zur Lust auf Neues.

Die Grenzen zwischen Tradition und Trend fließen ineinander über, auch hier reizt vor allem der ständige Wechsel. Ein einzigartiges Ereignis, gemeinsam erlebt und geteilt. Diese Faszination setzte sich in der improvisierten Musik fort.

Hier hatte der künstlerische Leiter Reiner Michalke eine hübsche Wundertüte für das Festival zusammengestellt. Da gab es skandinavische Tristesse auf hohem musikalischem Niveau. Spürbar war in den Beiträgen von Eivor Pálsdóttir und Vageir Sigurosson, aber auch bei Eivind Aarset die Nähe zum Polarkreis in einer Welt voller Mythen. Selbst das norwegische Trio "Elephant9" machte da trotz Rockgewitter keine große Ausnahme.

Dass es in New York wieder eine lebendige und vielseitige Musikerszene gibt, die sich dem modernen Jazz und seinen Variationen hingezogen fühlt, bewiesen Formationen wie Wayne Horvitz "Zony Mash", "Most Other People Do the Killing", "Timucin Sahin 4" oder auch Darcy James Argue & "Secret Society". Die Bigband um den jungen Komponisten gehörte zu den herausragenden Klangkörpern des Festivals.

Aber auch deutsche Musiker wie Wanja Slavin und Tim Isfort bewiesen, dass sie Talent haben und nur ein geeignetes Festival wie Moers benötigen, um auch international Gehör zu finden.

Dass es aber die "Alten" noch drauf haben, zeigten Muhal Richard Abrams, Roscoe Mitchell und George Lewis (wobei letzterer mit Jahrgang 1952 noch das Nesthäkchen war). Als Vertreter der Chicago-Szene hatten sie - jeder für sich und mit ihrem Ensemble - in der Vergangenheit schon Moerser Festival-Geschichte geschrieben. Ihr Auftritt als Trio hat ein neues Kapitel hinzugefügt.

Aber was wäre Moers ohne Weltmusik. Die Auftritte von SpokFrevo Orquestra aus Braslien und Rokia Traore aus Mali ließen keinen Zweifel daran, dass der Mensch Ohren zum Hören und Beine zum Tanzen hat.

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