Evangelische Kirche: Pfarrer fürchten um Existenz

Auch am Niederrhein werden Geistliche in den so genannten Wartestand gesetzt. 14 haben bereits geklagt.

Niederrhein. Wer sich dafür entscheidet, evangelischer Pfarrer zu werden, verpflichtet sich zu lebenslangem Dienst und Treue. Zumindest war das früher so - heute scheint es dagegen nicht mehr selbstverständlich zu sein, bis zum Ruhestand im Dienst der evangelischen Kirche tätig zu sein.

"Massenhaft" würden inzwischen die Pfarrer auch am Niederrhein in den Wartestand versetzt, sagt Roland Reuter, Vorsitzender der Hilfestelle für evangelische Pfarrer in Moers: "Das ist eine neue Dimension."

Seit 2008 gibt es ein Auswahlverfahren für evangelische Pfarrer im Wartestand. Das Verfahren gleiche einem Assessment-Center, sagt Reuter: "Zwei Drittel der Pfarrer, die sich diesem Verfahren unterziehen müssen, können davon ausgehen, dass sie nicht weiterbeschäftigt werden."

Wer im Auswahlverfahren durchfällt, kann nicht mehr als Pfarrer arbeiten und muss je nach Alter mit bis zur Hälfte des Ruhestandsgeldes über die Runden kommen.

Konkret gab es bisher fünf Auswahldurchgänge. Neben einzureichenden Referenzen zählt vor allem (sechsfach) ein Tag, an dem die Pfarrer wie in einem Test bewertet werden. Nach internen Informationen sind bei den ersten drei Durchgängen jeweils zwei Drittel der Bewerber durchgefallen.

Bei den letzten ist dagegen am Ende niemand durchgefallen; der einzige, der nicht genommen wurde, hatte erfolgreich Einspruch eingelegt. 23 betroffene Pfarrer haben Widerspruch gegen das Ergebnis des Auswahlverfahrens eingelegt. 14 haben bisher geklagt.

"Das Ganze wirkt willkürlich. Es hat viel Unruhe gegeben - es geht schließlich um ganze Existenzen", sagt eine betroffene Pfarrerin. Sie hatte an einem der ersten Durchgänge teilgenommen und war durchgefallen. Weil sie Klage einlegte, kann sie derzeit noch weiter als Seelsorgerin arbeiten.

Insgesamt sind in der Rheinischen Landeskirche, die von Saarbrücken bis Emmerich reicht, über die Jahre 120 Pfarrer in den Wartestand versetzt worden. 52davon mussten sich dem Auswahlverfahren unterziehen. Dabei handelte es sich nicht nur um solche Pfarrer, bei denen es Schwierigkeiten in der Gemeinde gegeben hatte.

So sind beispielsweise auch Pfarrerinnen, die aus der Erziehungszeit kommen, verpflichtet, sich dem Verfahren zu unterziehen. Für andere Gruppen, wie beispielsweise die über 60-Jährigen, gibt es Sonderregelungen, so dass sie nicht ins Auswahlverfahren müssen.

Die vielen Klagen haben die Verwaltungskammer der evangelischen Kirche im Rheinland inzwischen mit Arbeit überhäuft. Auch eine Pfarrerin, die bestanden hatte, klagt.

Je mehr Pfarrer betroffen sind, desto weitere Kreise zieht die Angelegenheit: Inzwischen geht es auch um den Streitpunkt, dass die Geistlichen keine Unterstützung von staatlichen Gerichtsbarkeiten erwarten können, für die kirchliche Personalentscheidungen bisher tabu sind.

Allerdings gibt es mittlerweile unterschiedliche Urteile zu diesem Thema. Dass sich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den nächsten Monaten mit Pfarrerklagen aus Deutschland befasst, ist nicht ausgeschlossen.

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