Erkelenz: Der langsame Tod eines Dorfes

Vor dem Tagebau muss Pesch weichen. Nur noch 29 Menschen wohnen in dem einst idyllischen Örtchen.

Erkelenz. Ein schmuckes Backsteinhaus, ein handgeschriebenes Schild. "Hier wohnen noch Leute. Hier gibt es nichts umsonst." Man kennt das hier: Wenn die Umsiedlung fast abgeschlossen ist, kommen Leute und klauen. Heizungsanlagen, Fenster, Gatter, sogar Treppenstufen. Alles, was Hauseigentümer so brauchen können. "Dafür kommen die sogar aus dem Ruhrgebiet und aus Holland", erzählt Hans-Peter Hoffmann. Mit den Plünderern ist es wie mit Geiern: Wenn die kommen, ist es fast vorbei.

Hoffmann lebt in Erkelenz-Pesch. Vor zehn Jahren war das noch ein kleines idyllisches Örtchen zwischen Feldern und Wiesen, mit alten Bauernhöfen. 250 Menschen lebten hier. Dann begann die Umsiedlung. Mit Pesch verliert die Stadt Erkelenz ihren ersten Ort an den Braunkohlentagebau Garzweiler II. "Wenn am Anfang einer wegzieht, dann fällt das nicht so auf", sagt Hoffmann. Aber jetzt sind sie nur noch 29 hier.

Hans-Peter Hoffmann, Bewohner von Pesch

Die dörfliche Ordnung ist passé. Der Bergbaubetreibers RWE Power hat die Regie übernommen. Die verlassenen Häuser haben keine Hausnummern mehr. Türen und Fenster sind mit Sperrholzplatten zugeschraubt. In früher gepflegten Gärtchen hat die Kettensäge ganze Arbeit geleistet. Schwere Fahrzeuge haben die Straßen mit Erde verschmiert. Und eine Umleitung am Ortseingang erweckt den Eindruck, es gäbe Pesch schon nicht mehr. Sie führt den Fremden an dem Ort vorbei.

"Es tut schon weh, wenn man das alles sieht", bekennt Hoffmann. Mit seiner Frau lebt er seit 26 Jahren in einem alten Bauernhof. Sie haben ihn damals gemietet und sich damit einen Traum erfüllt. Das Paar wollte mit seinen Pferden auf dem Land leben. Dann kamen Sohn Yannic (14) und Tochter Iris (12) zur Welt. Draußen im Hof springen die beiden Hunde Soeren und Araba herum, Zugänge aus dem Tierheim.

"Langsam wird es Zeit zu gehen", sagt der Mann. Gedanklich sind sie schon lange auf dem Absprung. Die Wohnung hätte längst eine Renovierung nötig. "Aber man macht es nicht mehr." Seine Karnevalskollegen vom "Immeroder Seckschurger" sind schon am neuen Umsiedlungsstandort. Kaum einer kommt den Präsidenten im alten Dorf besuchen. Den Ort wollen sie so nicht mehr sehen. Sie wollen ihn in guter Erinnerung behalten.

Hoffmann wartet darauf, dass sich sein Vermieter mit dem Bergbaubetreiber RWE Power einig wird. Seit langem verhandeln beide über eine Entschädigung. Nur wenn das Geld reicht, kann der Vermieter am Umsiedlungsstandort auch für ihn bauen und wieder an ihn vermieten. "Eine andere Möglichkeit gibt es für uns nicht." Am neuen Standort gebe es sonst kein Haus zu mieten. Nur deshalb haben sie es so lange ausgehalten.

Die Zeit läuft ab. "Wir müssen zum 30.12.2011 weg sein." Am Ortsende sieht man beim Blick über die Felder die Bagger näherkommen. Wenn die Hoffmanns spazieren gehen, dann immer in die andere Richtung.

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