Tagespflege: Beschäftigt mit Kegeln, Singen, Sitzfußball

42 Gäste nutzen zurzeit die Angebote der Tagespflege Haferkamp in St. Tönis. Dort werden vor allem Demenzkranke betreut.

St. Tönis. Frau Obermüller gelingen an diesem Morgen gleich zwei Kunstwürfe hintereinander. Erst trifft ihre Kugel, obwohl zaghaft gerollt, den äußersten Kegel rechts. Der „Bauer“ kippt. Mit dem zweiten Wurf fällt auch der linke um. Ein Raunen geht durch den Raum.

„Der Bauer ist das Schwierigste“, ruft Mitspieler Baumert. Das gibt Extrapunkte, sind sich Silvia Beckers und Frauke Zimmermann einig. Kaum notiert, schieben die beiden Betreuerinnen die fahrbare Holzkegelbahn an den Stuhl des nächsten Mitspielers heran.

So fit, um auf einer Gaststättenkegelbahn Kugeln zu werfen, ist kaum mehr einer der 14 Gäste, die an diesem Morgen am Programm der Tagespflege Haferkamp in St. Tönis teilnehmen. Manche sitzen im Rollstuhl, die meisten in diesem Kreis sind demenzkrank. Ihr Frühstück haben sie gemeinsam eingenommen, nun sind sie mittendrin im Aktiv-Angebot des Vormittags.

Sie sind und werden — jeder, wie er kann — mit Kegeln, Sitzgymnastik, kleinen Spaziergängen, Musik und Singen, Gedächtnisübungen, Brettspielen oder kreativem Gestalten beschäftigt, bis an diesem Mittag um 12.30 Uhr Ofenfisch mit Gurkensalat und Kartoffelpüree serviert wird. Das Essen wird in der Küche nebenan frisch zubereitet.

„Insgesamt 42 Gäste aller Pflegestufen nutzen zurzeit an den fünf Tagen in der Woche die Angebote unserer Tagespflege“, sagt Joachim Pauly, Leiter der Einrichtung seit 2010. Die meisten Senioren kommen an zwei, drei festgelegten Tagen in der Woche. Morgens, ab 8.15 Uhr, werden sie gebracht, entweder von ihren Angehörigen oder durch den Fahrdienst, nachmittags ab 16 Uhr abgeholt oder nach Hause gebracht.

„Tagespflege entlastet die Angehörigen oder ermöglicht ihnen die Berufstätigkeit“, sagt Pauly. Zu seinem Team in St. Tönis gehören vier weitere Pflege- und Betreuungskräfte, eine Ehrenamtlerin und zwei Hauswirtschafterinnen. Kontakt zur Tagespflege nehmen in den meisten Fällen die Kinder von älteren Menschen auf, die nicht mehr ohne Aufsicht alleine den Tag verbringen können.

Pauly lädt neue Gäste und ihre Angehörige stets zu einem Schnuppertag in der Einrichtung ein, damit sie sich ein Bild vom Betreuungsangebot in den Erdgeschossräumen des Paritätischen am Haferkamp 29 machen können.

„Wir sind offen für alle“, sagt Pauly. An einem solchen Tag sehe man, ob es passt, sagt er und erinnert sich etwa an einen Besucher, der bei ihnen einen Partner zum Schachspiel suchte. „Das passte nicht.“

Beschäftigung sei zwar der Schwerpunkt der Tagespflege, aber es sei auch wichtig, gerade Demenzkranke nicht zu überfordern. Man rege an, fordere dazu auf, aktiv zu sein, „doch die Beschäftigung soll möglichst stressfrei für die Tagesgäste ablaufen“. Die Mittagsruhe ist fester Bestandteil des Tages.

Während Pauly den Ruheraum mit den neun Liegesesseln zeigt, hört man aus dem Gemeinschaftsraum Gesang. Die Männer sind aus dem gemischten Chor gut herauszuhören.

Wenig später rollt ein Schaumstoffball im Sitzkreis hin und her, jeder Kick mit der Fußspitze befördert ihn weiter, manchmal mehr als kniehoch. Dann steigt auch der Geräuschpegel der Runde. „Hoh“, „huh“ und Gelächter vermengen sich, wenn’s wild und schnell wird. Dann wird geklatscht.

Frau Hauschild hat den Ball durch die Lücke neben den Stuhl von Betreuerin Beckers geschossen. „Das war ein Tor“, kommentiert Mitspieler Baumert anerkennend. Wieder ein Kunstschuss. Die Frauen sind gut drauf.

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