Tönisvorst: Die SPD nach dem Vauth-Schock

Die Tönisvorster Sozialdemokraten sehen sich für die Kommunalwahl gut gerüstet.

Tönisvorst. Plötzlich stand die Partei ohne Chef da, das aktuelle Wahlergebnis der Europawahl ist kaum besser als die Vorhersagen, und ausgerechnet jetzt stehen mit Kommunal- und Landtagswahl entscheidende Weichenstellungen an.

Sprich: die Tönisvorster SPD hat genügend Baustellen. Wie hat sie den "Vauth-Schock" verkraftet? Wie sieht sie sich aufgestellt? Joachim Kremser, kommissarischer Vorsitzender, und Uwe Leuchtenberg, Landtagsabgeordneter und Bürgermeister-Kandidat, stellten sich der WZ-Redaktion.

Hans-Joachim Kremser: Es gibt keinen Schock. Die jüngsten Mitgliederversammlungen waren hervorragend besucht, wir spüren einen starken Rückenwind.

Uwe Leuchtenberg: Ein Loch hat es nach dem Rücktritt von Lothar Vauth nicht gegeben. Die Wähler können da durchaus unterscheiden. Wir werben heute mit unseren Köpfen, unseren Gesichtern.

Kremser: Das ist eine Grundsatzfrage. Der Weg zu Entscheidungen ist sicher schwieriger. Aber wenn man Demokratie leben will... Hier hat sich hat der Bürgerwille gebildet und die Verhältnisse sind schwierig. Im Gegensatz zu Willich, wo’s eine absolute Mehrheit gibt.

Leuchtenberg: Ich glaube, wenn man mehr Transparenz herstellt, als heute vorhanden ist, kann das nur gut sein. Nicht jeder Kompromiss muss bekanntlich schlecht sein.

Leuchtenberg: Schwierig wird es erst, wenn es auf Dauer noch mehr Parteien und Gruppierungen gibt. Da zählen dann auf einmal wieder Einzelinteressen. Der Bürgermeister hat in Tönisvorst ganz klar einen politischen Auftrag. Das ist ja sogar schon mit den Vorschlägen der Verwaltung so.

Nehmen Sie beispielsweise meinen Vorschlag, Solarenergie zu erzeugen und das auf genossenschaftliche Basis zu stellen. Wir wollten das eins zu eins von Willich kopieren. Das wurde einfach abgeschmettert. Dann wird das in einen bestimmten Ausschuss verwiesen. Und dort ist dann plötzlich von einem Investor die Rede.

Leuchtenberg: Warum kann man nicht mal einen Pavillon aufstellen, um mit den Leuten zu reden. Das könnte die Verwaltung im Vorfeld organisieren. So etwas sehe ich als meine Aufgabe.

Kremser: Da gibt es viele Baustellen. Am demographischen Wandel hängen zum Beispiel eine Menge politischer Entscheidungen. Stadtplanerisch müssen wir innerstädtischen Wohnraum schaffen. Auch soziale Verhältnisse müssen beachtet werden: Wie können ältere Menschen Wohngruppen bilden?

Ein Politiker, der sich diesen Fragen nicht stellt, wird Probleme haben. Denn wenn man sieht, wie sich der Alterspilz entwickelt, nützen bald die schönsten Spielplätze nichts mehr.

Kremser: Im Bereich Kirchplatz und alte Schule zum Beispiel, im Bereich Marienheim und Hochstraße. Durch entsprechende Bebauung innerstädtischer Flächen - zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der AWG und ortsansässigen Kreditinstituten - können wir die Innenstadt seniorengerechter machen, was auch dem Einzelhandel Kunden bringt. Neue Baugebiete für junge Familien sind keine Messlatte.

Leuchtenberg: Außer in Vorst-Nord brauchen wir nicht mehr viel zu tun. Wir wollen andere Wege gehen, zum Beispiel auch den Wohnraumtausch fördern. Alte Menschen wollen weiter selbstständig leben, benötigen aber ihre großen Häuser am Stadtrand nicht mehr. Diesen Wohnraum könnten sie an junge Familien abgeben.

Leuchtenberg: Vor einigen Tagen habe ich mit einer Dame gesprochen, die am Buchenplatz in St.Tönis mit ihrem Rollator über die Straße wollte. An der Stelle war das richtig gefährlich. Und dann sah ich, dass dort in der Nähe gar keine Bordsteinabsekung war, wo sie besser hätte queren könne. Solche Kleinigkeiten gibt es viele.

Hier muss man ansetzen. Für die großen Dinge ist kein Geld da. Ziel muss es sein, dass jeder in Tönisvorst bleiben und alt werden kann. Ein weitere Punkt: Die Entscheidungen in Rat und Verwaltung müssen transparenter werden. Zuviel passiert hinter verschlossenen Türen. Im Landtag kann ich alle Dokumente einsehen, Entscheidungen sind nachvollziehbar. Das muss auch in Tönisvorst eingeführt werden.

Kremser: Und so etwas wie das Rinke-Gutachten darf sich nicht wiederholen. Das war doch der größte Flop der letzten Jahre, den Vorwurf mache ich auch Albert Schwarz. 300000 Euro sind da verbrannt worden, weil man einem Rattenfänger nachgelaufen ist. Anfangs konnte es nicht schnell genug gehen - und jetzt liegt das Ding irgendwo im Schrank.

Leuchtenberg: Ganz klar, nein. An dem Tag, an dem ich Bürgermeister werde, lege ich mein Mandat in Düsseldorf nieder. Das ist auch bei mir zu Hause so besprochen. Ich habe bereits meine Funktion als energiepolitischer Sprecher abgegeben, weil ich Bürgermeister werden will. Das ist der Job, den ich liebend gerne hätte.

Leuchtenberg: Ja. Was mich unterscheidet: Es wird nicht der Verwaltungs-Chef gewählt, sondern der Bürgermeister. Das ist ein Geschäftsführer-Job und bedeutet auch: Mit den Bürgern reden, Ansprechpartner sein, sieben Tage die Woche. Ich will einer sein, der sich kümmert. Wir sind keine anonyme Verwaltung. Natürlich ist das ein Umbruch in meinem Leben. Und: Ich kandidiere als Tönisvorster Bürgermeister, nicht als SPD-Mann.

Kremser: Michael Horst, Helge Schwarz, Johannes Funck oder ich selbst: Wir haben Leute, die mit beiden Beinen im Leben stehen und dort Verantwortung übernehmen. Meine Hoffnung ist, dass wir mit elf, zwölf Leuten in den Rat kommen. Da sind Topleute dabei, auffüllen müssen wir nicht. Die Mitgliederzahl liegt konstant bei etwa 290, daran hat sich auch durch die Sache mit Lothar Vauth nichts geändert.

Kremser: Was heißt Sau? Laschenhütte war so nicht mehr gewollt. Und die Öffnung der Willicher Straße wäre nun wirklich Unsinn gewesen. Wir müssen uns um das Thema städtische Immobilien kümmern. Das ist eine Zeitbombe. Da gibt’s derzeit kein Konzept. Man muss fragen dürfen: Muss man sich auf Dauer zwei Rathäuser leisten? Warum nicht beispielsweise ein Gebäude wie Auto-Suture in Tempelshof? Und in den Stadtteilen noch jeweils ein Bürgerbüro. Von dort aus kann man doch für die Bürger wirklich fast alles erledigen.

Geboren 1953 in der damaligen Gemeinde St. Tönis, aufgewachsen in Düsseldorf

Beruf Groß- und Außenhandelskaufmann und Designer, Prokurist bei Reklame Rehse

Partei War schon Jungsozialist, in der Tönisvorster SPD ist er seit seit 15 Jahren

Familie Verheiratet

Geboren 1958 in "Tönisvorst", an der Gemeindegrenze zwischen Vorst und St. Tönis

Beruf Industriekaufmann und Fachwirt bei Kress, später im Vertrieb bei den Stadtwerken

Partei War früher Juso und ist seit vielen Jahren in der Gewerkschaft, in der Tönisvorster SPD seit 1988

Familie Verheiratet, zwei Kinder

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