Kempen - "So liebt der Niederrhein" Herzschmerz: Wenn der „Sitz der Seele“ krank ist

Dr. Dragan Radosavac ist Chef-Kardiologe im Krankenhaus in Kempen. Er weiß, dass seelischer Kummer dem wichtigen Organ zu schaffen macht.

Kempen - "So liebt der Niederrhein": Herzschmerz: Wenn der „Sitz der Seele“ krank ist
Foto: Kurt Lübke

Kempen. Dr. Dragan Radosavac ist das Gegenteil von einem Herzensbrecher. Als Kardiologe ist er schließlich immer dann gefragt, wenn Patienten Beschwerden mit dem wichtigsten Organ des menschlichen Körpers haben. Wenn ihnen das Herz bis zum Hals schlägt, es häufiger und kräftiger pocht, als es gesund ist. Wenn Stress ihnen seelische und körperliche Schmerzen bereitet und Liebeskummer ihnen das Herz gebrochen hat.

Kempen - "So liebt der Niederrhein": Herzschmerz: Wenn der „Sitz der Seele“ krank ist
Foto: Kurt Lübke

Erkrankungen im Geflecht von Vorhof, Kammern, Arterien und Venen geht Dr. Radosavac, 42, Chefarzt am Kempener Hospital zum Heiligen Geist, auf den Grund. Er prüft auf Herz und Nieren. Das ist sein wissenschaftlicher Zugang zu dem Organ, das anatomisch betrachtet faustgroß ist und — nehmen wir einen gesunden 30-Jährigen an — nur rund 300 Gramm wiegt. Für viele Menschen aber ist es der Ort der Seele und bedeutet ihnen die ganze (Gefühls-)Welt.

Wenn Radosavac über seine Arbeit spricht, klingt Vieles nach Berufung. Er liebt seinen Beruf. „Nach dem Abitur 1994 wusste ich zunächst nicht genau, was ich machen sollte“, sagt Radosavac. Er wurde „Zivi“ und entschloss sich in dieser Zeit zu einer dreimonatigen Ausbildung zum Rettungssanitäter. „Da bin ich auf einen jungen, sehr motivierten Assistenzarzt gestoßen. Ich war so fasziniert von ihm und von seiner Art zu arbeiten. Er hat mein Interesse für die Medizin geweckt.“

Der Mentor von damals ist nun ein Kollege und Freund von heute, heißt Peter Leven, Oberarzt im Krankenhaus in Lobberich, Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Kardiologie. Auch Radosavacs Vater ist Arzt, Orthopäde. Sein Arbeitsaufwand sei sehr hoch gewesen, sagt der Junior. „Das hatte mich früher abgeschreckt - aus der Sichtweise eines Kindes betrachtet, eben als sein Sohn.“

1995 begann der medizinische Karriereweg von Dragan Radosavac: „Ich wollte einen Beruf mit Verantwortung, Kardiologie und Intensivmedizin machen.“ Nach dem Studium arbeitete er sechs Jahre lang als Internist, spezialisierte sich danach drei Jahre in der Kardiologie und anschließend zwei Jahre in der Intensivmedizin.

Das erste Mal ein Herz in der Hand hatte der Mediziner als Student im Präparierkurs. Keine Situation jedoch, bei dem ihm sprichwörtlich sein eigenes Herz in die Hose gerutscht ist. „Man hat keinen Bezug zum Menschen, nähert sich dem Torso mit jedem Arbeitsauftrag rein wissenschaftlich.“

Wenn man aber das erste Mal vor einem Patienten stehe, beginne das eigentliche Lernen, sagt Radosavac. Die Praxis nach viel Theorie. Dann erlebe ein junger Arzt Gefühlsschwankungen zwischen „berechtigter Unsicherheit“ und - mit zunehmender Routine zuweilen - auch „unberechtigter Selbstsicherheit“, wenn es an Selbstreflexion mangele.

Herzschmerz ist heilbar. Nach Auswertung von Ultraschalluntersuchung, Blutdruckmessung und Belastungs-EKG wird in der Kempener Kardiologie entschieden, ob einem Patienten mit Medikamenten geholfen werden kann oder operiert werden muss. Das Kempener Krankenhaus kooperiert dann mit anderen Kliniken. Dr. Radosavac operiert zurzeit in Moers, künftig auch an einem weiteren Standort im Kreis Viersen.

Seelischer Kummer könne sich auf viele Weisen zeigen, sagt Radosavac: in einer Depression, durch Blutdruckprobleme. Im schlimmsten Fall greife er die Herzkranzgefäße an. Die meisten Menschen, zitiert er die Statistik, sterben an Herz-Kreislauferkrankungen. Frauen betreffe es zu 52 Prozent, Männer zu 41 Prozent.

„Wir kennen auch das Broken-Heart-Syndrom“, sagt Dr. Radosavac. Syndrom „gebrochenes Herz“. Ein Schicksalsschlag kann es auslösen, Schmerzen in der Brust und Luftnot verursachen. „Es betrifft fast nur Frauen. Sie sind emotionaler. Auf sie müssen wir besser aufpassen“, sagt der Mediziner. Im Diagnose-Vollbild stelle es sich dar wie ein Infarkt, „es ist aber keiner“. Die Herzstromkurve im EKG zeigt in einem solchen Fall zunächst die für eine Herzattacke typische Veränderung, auch im Blut werden erhöhte Herzenzymwerte gemessen. Aber erst die Herzkatheter-Untersuchung liefert den sicheren Befund: Kein Herzkranzgefäß ist verstopft - kein Infarkt.

Für Dr. Radoasvac ist das Herz Motor, Antrieb, Organ mit zentralem Sitz im Körper. Es habe, weil es nicht wie Lunge und Niere doppelt vorkomme, einen besonderen Stellenwert. „Man spricht ja vom Sitz der Seele. Wenn ich im übertragenen Sinne jemanden ins Herz treffe, dann verletze ich ihn.“ In Europa zumindest stehe das Herz dafür, kulturell geprägt durch Dichter und Denker, typisch „abendländisch, europäisch“.

Wichtig für einen Arzt sei es, dass er mit dem Patienten reden könne. Dr. Radosavac: „Wenn Sie so wollen, braucht man als Arzt das Herz am richtigen Fleck.“

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