Prozessauftakt im Fall Mirco: Die Frage nach dem Warum

Ab Dienstag muss sich der mutmaßliche Kindermörder Olaf H. vor dem Krefelder Landgericht verantworten. Er ist geständig - sein Motiv jedoch ist unklar.

Grefrath. Der Fall hat solche Schlagzeilen gemacht, dass ihn wohl jeder in Deutschland kennt. Das Verschwinden des kleinen Mirco am Abend des 3. September vergangenen Jahres in Grefrath, die bewegende, monatelange Suche nach dem Zehnjährigen, und schließlich die Festnahme des mutmaßlichen Täters Olaf H. einhergehend mit der bitteren Erkenntnis: Jede Hoffnung darauf, dass Mirco noch lebt, war vergebens. Er war bereits am Abend seines Verschwindens getötet worden.

Sein Schicksal hat die Nation bewegt. 145 Tage hatte die Sonderkommission Mirco unter der Leitung von Kriminalhauptkommissar Ingo Thiel nach dem Jungen gesucht. Zeitweilig waren bis zu 1000 Polizisten im Einsatz. Am 26. Januar wurde dann der mutmaßliche Täter in Schwalmtal festgenommen. Ermittler Thiel sagte damals: „Wir haben deutlich gemacht: Die Polizei in NRW lässt nicht zu, dass hier so einfach ein Kind verschwindet“.

Die große Frage, die immer noch im Raum steht, ist die nach dem Warum. Warum musste Mirco sterben? Aufschluss darüber soll der Prozess geben, der am Dienstag, 11. Juli, vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Krefeld beginnt. Verantworten muss sich Olaf H. Der 45-Jährige hat die Tötung des zehnjährigen Mirco gestanden. Er hat die Ermittler zur Leiche des Jungen geführt, sein genetischer Fingerabdruck wurde an der Kleidung des Jungen gesichert, und Faserspuren von Mircos Kleidung wiederum fanden sich im damaligen Dienstwagen von Olaf H..

Doch zum Motiv hat er mehrere Versionen abgeliefert. Zu klären, welche die richtige ist, ist eine der Hauptaufgaben des Vorsitzenden Richters Herbert Luczak (59) im Prozess. 40 Zeugen hat er dazu geladen, bislang sind 15 Verhandlungstage bis in den September terminiert. Verteidiger Gerd Meister hat eine Erklärung seines Mandanten angekündigt. Es werde aber kein Geständnis im Sinne der Anklage sein. Wohl eher eine Erklärung über die Motivation zur Tat.

Stellt sich die Frage: Wer ist dieser Mensch, dem von der Staatsanwaltschaft Mord, Freiheitsberaubung, sexueller Missbrauch von Kindern und sexuelle Nötigung vorgeworfen wird? Olaf H. wohnte bis zu seiner Festnahme in einer Eigenheim-Siedlung in Schwalmtal-Ungerath, etwa 20 Kilometer von Grefrath entfernt. Als Außendienstmitarbeiter eines Bonner Telekommunikationsunternehmens war er viel unterwegs und hatte Karriere gemacht, war zum Bereichsleiter aufgestiegen. Dreimal war Olaf H. verheiratet, ist dreifacher Vater. Mit seiner Frau und zwei Kindern lebte er völlig unauffällig in der Eigenheim-Siedlung. Der gepflegte Garten war sein Hobby. Einer seiner Nachbarn ist Polizist.

Bei der Polizei gilt der Angeklagte als unbeschriebenes Blatt. Und auch wenn 35 Mordkommissionen derzeit prüfen, ob es sich bei ihm nicht doch um einen Serienmörder handelt: Zu keinem weiteren Fall in der bundesweiten DNA-Datenbank passt sein genetischer Fingerabdruck.

Andererseits halten Kriminalpsychologen es für unwahrscheinlich, dass der Verdächtige erst mit Mitte 40 sein erstes Sexualverbrechen begangen hat. So wird dem Gutachten des psychologischen Sachverständigen viel Bedeutung beigemessen. Es soll Rückschluss auf die Frage geben: Was ist das für ein Mensch, der einen zehnjährigen Jungen von der Straße fängt, missbraucht und erdrosselt? Davon wird auch das Strafmaß abhängen. Olaf H. muss mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.

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