Prozessauftakt im Fall Mirco: Besucher ringen um Fassung

Das Interesse beim Prozessauftakt in Krefeld ist groß. Selbst Soko-Chef Thiel wird durchsucht.

Krefeld. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Mirco, Olaf H. (45) aus Schwalmtal, ist der größte, den der Niederrhein seit 25 Jahren erlebt hat. Eine ganze Region hatte 145 Tage gebangt, nach dem Jungen gesucht, Hinweise gegeben — bis die Soko um Kommissar Ingo Thiel die traurige Gewissheit fand: Den toten Zehnjährigen — und den Mann, der ihn umgebracht haben soll.

Menschen aus der Region sind gestern schon früh nach Krefeld gekommen, „um ihn zu sehen“. „Er war bis vor zwei Jahren unser Chef“, sagen zwei Frauen, die aus Duisburg angereist sind. „Ich bin die Strecke, auf der Mirco entführt worden ist, als Kind auch immer mit dem Fahrrad gefahren“, erzählt ein gebürtiger Grefrather. Die ersten stehen schon seit vier Uhr vor dem Landgericht, um einen der nur 44 Zuschauerplätze zu ergattern.

Das muss Soko-Leiter Ingo Thiel nicht. Der Schwalmtaler Kommissar, der am Ende nur gut einen Kilometer von dem Mann entfernt wohnte, den er überführt hat, ist durch seine beharrliche Art bundesweit bekannt geworden. Jetzt will er sehen, wie der Fall auch juristisch zu einem Ende gebracht wird. Allerdings wird Thiel genau wie alle Besucher vor dem Betreten des Saals gründlich durchsucht.

Nebenklage-Anwältin Gabriele Reinartz ist im Nachhinein froh, dass Mircos Eltern sich entschlossen haben, dem Prozessauftakt fernzubleiben. „Ich glaube, das war eine gute Entscheidung“, sagt sie in der Mittagspause zu den wartenden Journalisten.

Denn nicht nur die Zuschauerplätze waren limitiert, sondern auch die für die Presse. Neben den 38 Vertretern im Saal tummelten sich noch einmal so viele Fernsehteams vor dem Gerichtssaal, um zwischendurch Prozessbeteiligte und Zuschauer zu interviewen. Und wer keinen Platz als Zuschauer erhalten hatte, der wartete geduldig vor der Tür. Denn immer, wenn jemand den Gerichtssaal verließ, wurde sein Platz frei für den nächsten. Noch zwei Stunden nach Prozessbeginn warteten rund 20 Menschen vor der Tür und versuchten immer dann, wenn die Tür aufging, einen Blick hinein zu erhaschen.

Wer drin war, der musste mehr als einmal an diesem Tag um Fassung ringen. Die Varianten des Geständnisses, die Olaf H. den Ermittlern aufgetischt hatte von „tot gefunden“ über einen Unfall bis hin zum Mord, die Richter Helmut Luczak vorlas und von Olaf H. bestätigen ließ, waren schwer zu ertragen.

Nach der Mittagspause gibt es keine Warteschlange mehr, das Interesse nimmt ab. Aber der bizarrste Teil soll da noch kommen. Der psychologische Gutachter Dr. Martin Albrecht (68) zitiert aus den Gesprächen, die er mit dem Angeklagten geführt hat. Der frühere Chefarzt an einem Viersener Krankenhaus lebt in Nettetal und ist bei Mordprozessen gefragt. In der Version, die der mutmaßliche Täter ihm von der Tat anvertraut hat, schwört er „beim Leben meiner Tochter“, dass es keine sexuelle Komponente gegeben habe, dass alles ein Unfall war, bei dem er Mirco versehentlich erstickt oder ihm das Genick gebrochen habe.

Mittwoch soll Verteidiger Gerd Meister noch einmal Zeit für seinen Mandanten haben, ihm ins Gewissen reden, die Widersprüche aufzuklären. Donnerstag wird der Prozess dann fortgesetzt.

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