Schüler trommeln mit Flüchtlingen

Hauptschüler aus Kaldenkirchen besuchen regelmäßig die Lobbericher Notunterkunft.

Schüler trommeln mit Flüchtlingen
Foto: jobu

Nettetal. Wie können so kleine zarte Finger so laut trommeln? Von weitem ist das Hämmern der Hände, das Stampfen der Füße zu hören. Der Blick durch die Gitterzäune der abgeschirmten Notunterkunft am Ingenhovenweg in Lobberich offenbart: Da sitzen mehr als 30 Flüchtlingskinder im Kreis, schlagen lachend auf Trommeln — zusammen mit ihren deutschen Freunden von der Hauptschule Kaldenkirchen.

„Waka Waka!“ Lauthals singen die Kleinen den Afrika-Hit von Popstar Shakira, trommeln dazu, ein Mädchen im bunten Kleid springt von der Bank auf, lacht und tanzt. Um den Kreis stehen andere Bewohner der Unterkunft, staunen und fotografieren mit ihren Handys. Plötzlich Stille, als ein Mann im blauen Hemd mitten in der Runde die Hände hebt: „Ihr kennt sicher das Lied Kumbaya my Lord, oder?“, fragt Peter Porstner und stimmt den Song an. Immer mehr Kinder singen mit, einige summen, und dann, erst zaghaft, trommeln sie im Rhythmus dazu. Verständigungsprobleme? „Trommeln und überhaupt Musik verbindet über alle Sprachen hinweg“, lächelt Porstner.

Der Lehrer und Leiter des Trommelprojekts an der Hauptschule hat einige seiner Schüler mitgebracht. „Wir kommen seit Ostern immer einen Nachmittag in der Woche“, erzählt er in einer kleinen Pause. Hintergrund: Bei Gesprächen über die Flüchtlingskrise habe es bei Schülern Vorurteile und Missverständnisse gegeben, weshalb er vorschlug: „Nicht nur über Flüchtlinge reden, sondern sie kennenlernen.“ So kam die Idee auf, Schüler der Klassen acht und neun könnten mit Flüchtlingskindern trommeln.

„Es ist so schön, zu erleben, wie viel Spaß die Kinder haben“, sagt Blertha. Ihre Mitschülerin Julia fügt hinzu: „Wir verständigen uns mit Händen und Füßen, die Kleinen sind so dankbar, das rührt einen an.“ In der Trommelpause sind sie von Jungen und Mädchen aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan umringt, die Kleinen fassen ihre großen Freunde an den Händen. Die Hauptschüler sind mit so viel Engagement jede Woche dabei, das sie auf Vorschlag des Fördervereins Flüchtlingshilfe für ihren ehrenamtlichen Einsatz ein Zertifikat erhalten sollen: „Das kann später bei Bewerbungen nützlich sein“, sagt Porstner.

Für die Flüchtlingskinder und ihre Familien ist der wöchentliche Trommelnachmittag eine schöne Abwechslung, erläutert die Leiterin der Unterkunft, Sylvia Weichelt von der Diakonie: „Die meisten sind schon vier Monate hier, keiner weiß, wie lange sie bleiben, ob und wann sie in eine reguläre Unterkunft verlegt werden.“ Aber da gehen ihre Worte schon wieder im Klang einer Trommel unter.

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