Platten können auch Geschichten erzählen

Im Café Robin Hood in Dülken feierte „Volkmars Musik-Talk“ Premiere.

Platten können auch Geschichten erzählen
Foto: Busch

Dülken. Ines Buchhorn hat einen kaputten Zeh, aber als Elvis anfängt zu singen, hält sie nichts mehr auf ihrem Stuhl. Die 77-Jährige springt auf, wirft die Hände in die Luft und tanzt. Mit der Musik kommen die Erinnerungen: „Zu Elvis’ Hoch-Zeit habe ich als Berufstänzerin tagsüber klassisch getanzt“, erzählt sie und steht dabei trotz Verletzung kaum still. „Aber abends gab es für uns nur den Rock’n’Roll. Von Elvis und seiner Musik war ich hin und weg.“ Die Schallplatte von damals hat die Dülkenerin zur ersten Auflage von „Volkmars Musik-Talk“ mitgebracht. Die Idee: alte Lieder hören und die eigene Geschichte dazu erzählen.

Initiator ist Volkmar Hess. In Dormagen betreibt der 59-Jährige ein Museum für Grammophone und Phonographen, in Dülken engagiert er sich für den Förderverein Robin Hood. Nach „Volkmars Musikcafé“ hat er im Café des Sozialunternehmens am Alten Markt nun den Talk auf die Beine gestellt. Zum ersten Termin sind bereits fast alle Plätze belegt. Alle sechs bis sieben Wochen will er ihn wiederholen und dabei die mitgebrachten Platten der Besucher abspielen. Wenn sie möchten, können sie dazu Anekdoten erzählen. Hermann Schroers nutzt diese Gelegenheit gerne.

Der 63 Jahre alte Dülkener hat an diesem Nachmittag Musik der schwedischen Band Abba dabei, „Greatest Hits Vol. 2“. Sein Lieblingslied ist „Dancing Queen“. Damit verbindet er besonders das Jahr 1974. Abba hatte gerade mit „Waterloo“ den Eurovision Song Contest gewonnen, und Schroers besuchte einen Tanzkurs. „Abbas Musik ist so vielseitig, da konnte man super zu tanzen.“, sagt er. Was aber noch wichtiger war: „Dort habe ich meine heutige Frau kennengelernt.“ Noch immer gehen die beiden regelmäßig tanzen, am liebsten Standard und Boogie-Woogie.

Wer keine eigenen Platten mitgebracht hat, kann auf Hess’ Stapel zurückgreifen: Luv’ — You’re The Greatest Lover, David Hasselhoff — Looking For Freedom, Nicole — Ein bisschen Frieden und Juliane Werding — Stimmen im Wind etwa. Ulla Leven aus Schwalmtal aber weiß ganz genau, was sie hören will: Charles Aznavour. „Die Platte riecht nach Keller“, sagt die 68-Jährige und lacht. Inzwischen hat sie die Musik des armenisch-französischen Sängers auf CD, aber für den Musik-Talk hat sie die Vinyl-Ausgabe hervorgekramt. Bei „Du lässt Dich gehen“ erinnert sie sich an die 60er: Sie und ihre Freunde waren in der Ausbildung, hatten wenig Geld. Wenn sie sich zum Feiern trafen, dann zu Kellerpartys. „Zu später Stunde holten wir dann die Matratzen hervor, legten uns hin und hörten Charles Aznavour. Diese Nächte waren melancholisch und kuschelig“, sagt Leven, „und wunderschön.“

Anna Kirschbaum ärgert sich. „Ich hätte gerne eine Platte von Roy Black mitgebracht“, sagt die 66-jährige Süchtelnerin, aber sie ist direkt vom Schwimmen gekommen. Eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen stehen nun vor ihr auf dem Tisch. „Ich war so verliebt in ihn“, sagt sie. „Ich habe ihm sogar einen Brief geschrieben, aber ich glaube, der kam nie an.“ Ihre Freundin Inge Buschheimes (44) gibt ihr einen liebevollen Klaps auf den Arm. „Psst, ich will die Musik hören“, sagt sie und zwinkert. Ihre Wahl wäre auf Udo Jürgens gefallen. „Seine Musik mag ich am liebsten“, sagt sie.

Eine Besucherin hat aus Hess’ Repertoire den griechischen Sänger Jimmy Markulis ausgewählt. Die Freundinnen singen mit, schunkeln. „Ach ja, der Schmalz der 50er-Jahre“, sagt Hess. Zwischendurch erzählt er immer wieder Geschichten; von Paaren etwa, die sich zur Musik kennenlernten. Herbert Wilms und seine Frau Irmgard (62) aus Dülken wissen schon jetzt, dass sie zum nächsten Musik-Talk wiederkommen wollen. „Es gefällt uns richtig gut“, sagt der 68-Jährige. Währenddessen läuft Freddy Quinn mit „Schön war die Zeit“. Neben ihnen tanzen einige der Besucher. Hess lächelt. „Genau so habe ich mir das gedacht.“

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