Oase der Ruhe mitten in der Stadt

Manche machen es auf dem Flachdach, andere auf Brachflächen — Urban Gardening ist einer von vielen Trends, die immer beliebter werden.

Oase der Ruhe mitten in der Stadt
Foto: Andreas Fischer

Pflanzen können ein Politikum sein. Und Gärtner Protestierende. Man sieht es nicht gleich. Aber wer in der Stadt kleine Gärten auf Freiflächen findet, Bienenvölker auf Dächern oder Blumenkästen auf Gehwegen, der begegnet einer Form friedlichen Protests. Guerilla Gardening heißt sie. Was nach einer Kriegstaktik klingt, ist eine Form der Rückeroberung städtischer Räume. Dort, wo Platz ist, pflanzen Bürger Blumen, Obst und Gemüse und machen nutzbar und grün, was brach lag.

Oase der Ruhe mitten in der Stadt
Foto: Andreas Fischer

Die Idee ist in den 1970er Jahren in den USA entstanden und wird auch seit Jahrzehnten in London praktiziert. Mittlerweile ist aus dem illegalen Werfen von Saatbomben und wildem Pflanzen das legale Urbane Gärtnern — Urban Gardening — geworden — und das setzt sich zunehmend durch, auch in Wuppertal.

In der Stadt mit der Schwebebahn gibt es eine Vielzahl solcher Gärten. Eine der prominentesten Flächen von urbanem Grün befindet sich an der Luisenstraße, inmitten des Kneipenviertels in der Innenstadt. Zwischen zwei Häusern liegt eine Brachfläche, die seit 2011 als Garten genutzt wird. Auch wenn sie bepflastert ist — hier wachsen Salat, Bohnen Kohlrabi, Mangold und Kartoffeln in Kisten und Säcken. Der Verein „Neue Arbeit, Neue Kultur“ betreibt den Garten und hat damit den Startschuss für viele weitere Gärten im Stadtgebiet gegeben.

Dieter Hofmann von Neue Arbeit, Neue Kultur, sagt, die Idee sei gewesen, das Gärtnern in die Stadt zu bringen. „Viele haben keinen Garten und keinen Platz. Dabei macht es Sinn, sich mit der Lebensmittelproduktion zu beschäftigen.“ Den vermeintlichen Protestgedanken, sich die Stadt zurückzuerobern, habe man eher an zweiter Stelle gehabt, sagt Hofmann. Wenn überhaupt.

Der Verein hat von der Stadt damals sechs Brachflächen angeboten bekommen. Aus der einen, die sie gewählt haben, ist ein Schaufenster entstanden für die Möglichkeiten des Anbaus im Stadtgebiet — ein Vorbild.

Dem Garten an der Luisenstraße sind viele weitere Initiativen gefolgt. Etwa ein Garten auf einem Parkdeck, ein Honiggarten mit Bienenvölkern und auch einige Hochbeete am Gemeindehaus der evangelischen Kirche Uellendahl-Ostersbaum.

Für Pfarrer Holger Pyka ist das vor allem ein Bildungsauftrag, um den Jugendlichen etwas über die Natur beizubringen. Und das in einem Stadtteil, in dem noch relativ viele Gärten gibt. Nur sei es nicht besonders attraktiv für die Jugendlichen, sich zu Hause die Hände schmutzig zu machen, sagt Pyka, In den Jugendgruppen sei das anders. Außerdem kämen in dem Projekt auch Jugendliche und Ältere aus dem Quartier zusammen. „Mit dreckigen Händen unterhält es sich besser“, beschreibt Pyka den verbindenen Effekt der Gartenarbeit.

Einen ähnlichen Effekt stellt auch die Stadt fest. Annette Berendes, Ressortleiterin für Grünflächen und Forst Wuppertal, sieht viele Vorteile bei solchen Gartenprojekten. Einerseits würde die Umgebung grüner, andererseits steige der Identifikationsgrad mit dem eigenen Quartier. Auch in sozial schwierigen Nachbarschaften hätten die urbanen Gärten eine positive Wirkung, weil die Menschen in Kontakt kämen und auf sich und die Nachbarschaft Acht gäben.

Berendes sagt deshalb auch, dass die Stadt eigentlich kaum eine Anfrage für eine Freifläche ablehne. Illegal bepflanzte Flächen sieht sie aber kritisch. Einerseits würden die Mitarbeiter der Stadt oder von beauftragten Fremdfirmen die Beete abreißen, wenn sie davon nichts wüssten. Andererseits können wilde Gärten dem Verkehr die Sicht nehmen. „Guerilla Gardening ist insofern ein Problem.“

Protestgärtnern ist also nicht erwünscht. Das liegt aber in der Natur der Sache. Auch weil das angesichts der zustimmenden Haltung der Stadt nicht unbedingt nötig ist. Was sollte die Stadt auch gegen Nachbarschaftspflege und Gemüsebeete haben?

Das sagt auch Tanja Siems, Professorin für Städtebau an der Bergischen Universität Wuppertal. Sie kennt sich aus mit Urban Gardening und forscht dazu. Urban Gardening sei sehr willkommen, sagt sie. Der Haushalt in den meisten Kommunen sehe nicht viel Geld für Bepflanzungen vor, und die Bevölkerung sehe das auch positiv, fasst sie zusammen. Sie sieht darin sogar eine Notwendigkeit. Weil immer mehr Nutzflächen für erneuerbare Energien genutzt würden, müsste die Lebensmittelproduktion verstärkt in die Stadt ausweichen, sagt sie.

Das ist aber noch Zukunftsmusik. Bisher ist das Pflanzen und Ernten für die Stadtmenschen noch etwas besonderes. Für Christine Nordmann, die den Wandelgarten betreut, ist das immer wieder erstaunlich. „Viele kommen zu mir und sagen, was für eine tolle Mahlzeit daraus geworden ist. Dabei pflanzen wir doch nur ganz normales Gemüse hier.“

wuppertals-urbane-gaerten.de

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