Sorgen von der Seele schreiben

Neue Perspektiven für das Leben sollen bei einem Männer-Schreibtisch im historischen Beekhof erarbeitet werden.

Niederrhein. Männer unter sich. Sie sitzen schweigend am großen Tisch, schreiben Sätze auf kleine bunte Zettel. Lesen dann ihre Notizen vor, die von verborgenen Ängsten und geheimen Wünschen handeln. „Hier kann Mann sich alles von der Seele schreiben. Das tut gut, auch wenn jemand ungeübt ist im Schreiben“, erklärt Christof Cirotzki-Christ. Er leitet den Männer-Schreibtisch im historischen Beekhof in Nettetal-Hinsbeck.

„Was sie im Innern bewegt, das können Männer im Beisein von Frauen kaum ausdrücken“, weiß Cirotzki-Christ. Männer unter sich seien da offener. Ob Handwerker oder Büromensch — er kitzelt Kreativität aus ihnen heraus, eröffnet ihnen so „völlig neue Perspektiven, das Leben zu gestalten“.

Vom Niederrhein und von weiter her kommen sie, um sich frei zu schreiben. Um zu erkennen, dass sie mit ihren Problemen in der Familie, am Arbeitsplatz und mit sich selbst nicht allein sind. Sie treffen sich in historischem Ambiente, um Impulse fürs moderne Leben draußen aufzusaugen.

Die Männerrunde ist eine von verschiedenen kreativen Schreib-Werkstätten, die Cirotzki-Christ anbietet. Der 54-jährige promovierte Germanist lebte in Krefeld, bis er den Beekhof, eine Hofanlage aus dem 18. Jahrhundert, kaufte, sanierte und im Frühjahr dieses Jahres als Kulturhaus eröffnete.

Rund zwei Stunden dauert so ein Männer-Schreibtisch. Kleine Rituale sollen helfen, sich zu sammeln, abzuschalten, um frei zu werden für kleine literarische Selbstversuche: Was fällt einem ein zu Utensilien wie Königsfigur, Feder, Muscheln? Aufschreiben, Aussprache, nächste Schreibrunde. Je länger der Abend, desto intensiver, die meisten kommen auch zum nächsten Treff.

„Aus der Tiefe des Unbewussten sich frei ausdrücken, das ist das Ziel“, so Cirotzki-Christ. Er gibt Themen vor wie: „Du hast einen Schlüssel in der Hand. Öffne damit eine geheime Tür. Schreibe auf, was Du hinter dieser Tür findest.“

Mit dem Schreiben allein indes ist es nicht getan: „Ich bimmle kurz, dann trägt jeder vor, was er aufgeschrieben hat, und darüber tauschen wir uns aus“ Die Männer reden sich mit Vornamen an, die Anonymität soll möglichst gewahrt bleiben. So deutet Cirotzki-Christ nur an, was mitunter dabei herauskommt: „Da merkt einer, dass er sich in seiner Beziehung unterdrückt fühlt, ein anderer gesteht sich endlich ein, dass er ausbrechen muss, um nicht unterzugehen.“

Für Christof Cirotzki-Christ ist der Zulauf zur Schreibwerkstatt „auch ein Merkmal einer neuen Männer-Bewegung“ in der Gesellschaft: „Mann definiert seine Rolle neu.“ Hilfreich sei dabei Kreativität: „Die Wirkung des Schreibens, die kann verblüffend befreiend sein.“

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