Oma-Mord: Die Suche nach der Wahrheit

Im Fall der toten Stief-Oma werden am heutigen Donnerstag die Plädoyers gehalten. Was ist in der Januar-Nacht genau passiert?

Schwalmtal/Mönchengladbach. Der Prozess gegen die beiden 20-Jährigen, denen die Staatsanwaltschaft den gemeinschaftlichen Mord an Margareta J. vorwirft, geht dem Ende entgegen. Am heutigen Donnerstag halten Staatsanwaltschaft, Nebenklage und die beiden Verteidiger ihre Plädoyers, am kommenden Donnerstag soll das Urteil verkündet werden.

Aber noch ist unklar, was sich in der Nacht zum 18. Januar in dem kleinen Häuschen am Rande von Schwalmtal-Amern wirklich zugetragen hat. Daran hat auch der gestrige Prozesstag nichts geändert. Fest steht, dass die schwerkranke 73-Jährige erwürgt wurde. Beide Männer haben eingeräumt, dort gewesen und eingebrochen zu sein. Nur gewürgt haben will keiner von beiden.

Nachdem ein psychologischer Gutachter Sascha B. bereits bescheinigt hatte, dass er in seiner Steuerungsfähigkeit kaum eingeschränkt gewesen sei, kam Gutachter Christoph Arning am Mittwoch für Marco B., Stief-Enkel des Opfers, zu dem selben Schluss. Marco B. hatte sich entschlossen, den Richtern an diesem letzten Tag der Beweisaufnahme Rede und Antwort zu stehen.

Wieder und wieder fragte der Vorsitzende Richter Lothar Beckers nach dem Ablauf der Tat. Hat die alte Dame im Dunklen die Tür geöffnet? Oder war doch Licht an? Wie hat Marco B. sie zu Fall gebracht? „Sie ist gefallen, aber nicht so hart“, sagte der junge Mann. Er habe sie an den Schultern gepackt, nach hinten gedrückt und mit seinem Bein die Beine weggezogen. Dann will er sie mit einer Hand an der Schulter auf dem Boden gehalten und ihr mit der anderen den Mund zugedrückt haben, bis Sascha B. mit Küchentüchern kam, aus denen zunächst ein Knebel gebunden werden sollte.

Er habe ihr die Tücher dann aber lose auf den Mund gelegt. „Das Risiko, dass sie dadurch hätte schreien können, habe ich nicht gesehen“, sagte er. Auch kann er nicht erklären, warum er bei der Flucht aus dem Haus keinen Blick mehr auf die Frau warf, deren Wohlergehen ihm, wie er beteuert, so wichtig war. Und warum er jedoch den Hammer, dessen Rolle bei der Tat unklar ist, mitnahm und in einen Teich warf.

Staatsanwalt Stefan Lingens hatte noch eine entscheidende Ungereimtheit entdeckt. Die tote Margareta J. lag vor der Tür zu einem Wohnzimmer im Flur. B. will an seinem knienden Kumpel und der liegenden Frau vorbei die Tür aufgemacht haben. Unmöglich, sagte der Staatsanwalt — zu wenig Platz. Offen ließ Lingens die Frage, ob es möglich gewesen wäre, wenn kein Bewacher mehr neben der Frau hätte knien müssen.

Marco B.s kriminelle Karriere ist lang. Diebstähle, schwere Diebstähle, Bedrohung, Schwarzfahren — stets mit ungünstigen Prognosen für die weitere Entwicklung. Er sei „renitent“ gewesen, sagte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, die ihn seit Jahren kennt, habe in den Tag hinein gelebt, angebotene Hilfen nicht genutzt. Und trotzdem immer wieder eine Chance erhalten.

Eine Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, obwohl er vorher Sozialstunden nicht zuverlässig abgeleistet hatte. Ende August 2010, so berichtete die Bewährungshelferin, habe man den Beschluss gefasst, dass er nun in Beugearrest genommen werden müsse, weil er sich an keinerlei Auflagen halte. Dazu kam es nicht mehr. Nachdem er im November einen Kurs der Drogenberatung absolviert hatte, lief es plötzlich besser, er schien eine Perspektive gefunden zu haben, wollte sich bewerben.

Das sagte er ihr im letzten Gespräch - am 13. Januar. Fünf Tage später starb Margareta J..

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