Mit dem Floß über die Niers

Eine Tour wie im Regenwald: Gemächlich geht’s an Graureihern und Schwänen vorbei.

Viersen. Es ist idyllisch, verträumt, und manchmal glaubt man sich in den Regenwald versetzt. Dabei regnet es gerade mal nicht in diesem niederrheinischen Sommer, und von Amazonas kann nun wirklich nicht die Rede sein. Der „Fluss“ ist die Niers, und mit dem Floß geht es gemächlich von Viersen nach Grefrath.

„Das ist wie im Urlaub“, schwärmt eine Mitfahrerin. Mehrmals im Jahr bietet der Niersverband diese Touren an. Man will den Teilnehmern die Gelegenheit geben, sich über den Fluss zu informieren und ihnen das Bewusstsein vermitteln, rücksichtsvoll mit der Natur umzugehen.

Das Floß treibt auf dem schnurgeraden Fluss. Damit es in der Mitte bleibt, tauchen zwei Mitarbeiter des Niersverbandes immer wieder lange Stöcke ins Wasser. Das steht diesmal höher als sonst. Normalerweise hat die Niers nur eine Wassertiefe von etwa 80 Zentimetern. Doch durch die kräftigen Regenfälle der vergangenen Tage ist es diesmal mehr. „Etwa 1,20 Meter“, schätzt Günter Wessels vom Naturschutzbund.

An der Holtzmühle in Viersen sind wir auf das Floß geklettert. Durch den hohen Wasserstand treibt es diesmal auch schneller stromabwärts. Und man muss sich bücken. An der alten Brücke des „Schluff“, der ehemaligen Eisenbahnverbindung zwischen Viersen und Krefeld, müssen selbst die auf Holzbänken sitzenden Passagiere den Kopf einziehen.

Der Wind rauscht in den Pappeln, Eschen, Kopfweiden und Erlen an den Ufern. Dahinter dehnen sich Wiesen und Felder aus. Immer wieder ragen Äste über den Fluss. Das bedeutet Arbeit für die Begleiter vom Niersverband; die Hindernisse müssen umschifft werden.

Während der Fahrt vermittelt Wessels Informationen über den Fluss und das Nierstal. Er weist auf Libellen am Ufer hin, erzählt von den an der Clörather Mühle angesiedelten Störchen und freut sich über die verbesserte Wasserqualität der Niers. „Früher musste man sich die Nase zuhalten“, sagte Wessels. Damals war die Niers zu einem reinen Abwasserkanal verkommen.

Davon kann heute nicht mehr die Rede sein. Die Kläranlagen sind deutlich verbessert, und auch die Renaturierungen entlang des Flusslaufs haben zu einer verbesserten Qualität beigetragen. Mittlerweise sind sogar wieder Hechte und Aale in der Niers zu Hause, und es haben sich sogar wieder Angelvereine entlang des Flusses gebildet.

Dabei ist die Niers eigentlich gar kein „normaler“ Fluss mehr. Denn die Quelle des Flusses in Erkelenz-Kuckum ist ausgetrocknet. Eine Folge des Braunkohlen-Tagebaus, erläutert Wessels den Mitfahrern auf dem Floß. Um die Kohle trocken abbaggern zu können, muss in weitem Umfeld das Grundwasser abgesenkt werden. So ist die Niersquelle versiegt. Doch das Sümpfungswasser aus dem Tagebau wird nahe dem Autobahnkreuz Wanlo in das Flussbett gepumpt. So wird die Niers heute gespeist.

Wessels erwartet, dass der Fluss an Bedeutung für den Niederrhein und den Tourismus gewinnen wird. Schon heute sind entlang des Flusslaufs zahlreiche Kanu-Verleihstationen angesiedelt. Ganze Schulklassen paddeln über die Niers. Und entlang des Flusslaufs sind Radler in großen Pulks unterwegs. Der Niers-Radweg weist nur noch wenige Unterbrechungen auf.

In der Nähe der Burg Uda in Grefrath ist die Floßfahrt zu Ende. Die Mitarbeiter des Niersverbandes verstauen ihr Schwimmgerät auf einem Lkw. Für die Passagiere geht’s zu Fuß zurück zum Ausgangspunkt. Zeit zum Erzählen: von Reihern, Wasserratten, Schwänen und einer Landschaft wie am Amazonas.

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