Karneval: Der Schneider des Prinzen

Uniform, Spitzenhöschen, Narrenkappen: Viele Karnevalskostüme werden in Korschenbroich geschneidert. Kein billiges Vergnügen.

Korschenbroich. Prinzen kommen und Prinzessinnen auch. Zur Anprobe. Die prunkvolle Robe soll an den tollen Tagen richtig sitzen und die Narrenkappe nicht verrutschen. Die Größen des Karnevals lassen bei Helmut Hintzen in Korschenbroich schneidern. In seinem Traditionsbetrieb entstehen die üppigen Roben für das Kölner Dreigestirn, ebenso für den Prinzen in Düsseldorf und das Prinzenpaar in Bonn.

Kurz vor den hohen Festtagen im Karneval laufen in der Kostümschneiderei die Nähmaschinen heiß. Die Mitarbeiter formen Narrenkappen, applizieren Bordüren und Litzen, nähen goldene Tressen und Knöpfe an. „Was kompliziert ist, produzieren wir hier selbst“, berichtet Hintzen, der 56 Jahre alte Chef. Und kompliziert ist fast alles.

An einem langen Tisch sitzen in der Werkstatt die Schneiderinnen. Auf Kleiderbügeln hängen halbfertige, bunte Uniformen. Die Altstädter aus Köln haben 30 neue Kostüme bestellt. Spätestens bis zum Rosenmontagszug müssen die goldverzierten Jacken fertig sein. Da hängt eine halbfertige Uniform der Kölner Traditionsgesellschaft Treuer Husar, dort bekommt eine närrische Kappe den letzten Schliff.

Im traditionellen Karneval wird nicht viel dem Zufall überlassen. Das Kölner Dreigestirn kleidet sich jedes Jahr exakt gleich. „Da ist nichts auszusuchen“, sagt Hintzen. Er kennt jedes Detail, und „Billigkarneval“ macht er nicht. An die 2000 Euro kostet ein auf den Leib geschneidertes Prinzenkostüm. Extras wie Schuhe, Kappe, Strumpfhose kommen dazu. Der Spezialist aus Korschenbroich hat alles, was dazugehört: Von der Perücke bis zum bunten Schuh, vom Spitzenhöschen der Funkenmariechen bis zur Männerstrumpfhose.

Derzeit klingelt das Telefon in dem solide eichengetäfelten Kontor des 1884 gegründeten Familienbetriebs ohne Unterlass. Karnevalisten in der ganzen Republik ordern. „Läuft das über den Verein?“, fragt Fabian Hintzen, der Juniorchef, einen Anrufer. Ein anderer Narr erkundigt sich nach Hut, Perücke, Jabot, Wams und Hosen. „Das macht 795,17 Euro“, rechnet der Senior am Telefon schnell aus. „Dann müssten Sie zur Anprobe kommen, junger Mann!“

Im Verleih im ersten Stock hängen an die 3500 Kostüme. Von der Stange können Karnevalisten Kleider und Uniformen aus allen möglichen Epochen mieten. Kostüme aus Biedermeier, Rokoko, Mittelalter, aus den goldenen 20er Jahren oder der Römerzeit. Der Exportschlager Oktoberfest ist vertreten, Dirndl und Lederhosen sind dutzendfach vorrätig. Auch Schützenuniformen füllen viele, viele Meter auf der Kleiderstange. Zur Zeit der Schützenfeste sind die Stücke verliehen: „An Pfingsten ist das alles unterwegs“, sagt der Chef und macht eine ausladende Bewegung mit der Hand.

Das Geschäft mit der Illusion bringt dem Familienunternehmen mit seinen 25 festen Mitarbeitern 1,5 Millionen Umsatz im Jahr. Herzstück ist der Karneval. Ohne Sorge ist Hintzen aber nicht. „Was passiert, wenn nicht mehr geraucht werden darf?“, fragt er sich bang. Kommen dann weniger Besucher zu den Sitzungen, mit der Folge, dass letztlich deren Bestand gefährdet ist? Der Golfkrieg vor über 20 Jahren, in dem der Karneval ausfiel, ist noch nicht vergessen.

Aber das Vergnügen am Verkleiden ist zeitlos. Mit einem kindlichen Spaß suchen Kunden ihre Kostüme aus. Manche stehen dann stundenlang im Fundus vor dem Spiegel. Der Seniorchef kommentiert: „Jemand anders zu sein, wer hat das nicht im Blut?“

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