Jens Classen, stellvertretender Wehrführer: „Es gibt keine Rezepte fürs Löschen“

Im Trainingszentrum NRW in Bracht üben Feuerwehrleute ihre Einsätze. Im Container ist es heiß und verqualmt.

Grenzland. Wenn es brennt oder ein schwerer Verkehrsunfall passiert, dann ist die Feuerwehr zur Stelle. Was dann abläuft, sieht sehr eingespielt aus. Die Führungskräfte brauchen nur wenige Worte, dann weiß jeder, was er zu tun hat.

Dabei kann man genau diese Eingespieltheit nicht trainieren. Man kann gemeinsam üben, 1001 mögliche Situation durchspielen — und am Ende ist es dann doch ein bisschen anders. Irgendetwas ist da, was erfordert, dass man doch alles anders macht als beim letzten Mal. „Es gibt halt keine Kochrezepte beim Löschen“, sagt Jens Classen.

Classen ist stellvertretender Wehrführer in Niederkrüchten. Gerade in den kleinen Gemeinden, in denen es keine Berufsfeuerwehr gibt, ist es wichtig, dass sich die freiwilligen Wehrleute fortbilden. Dort gibt es spezielle Lehrgänge für Führungskräfte. Diese Leute, die im Ernstfall zur Einsatzleitung gehören, sollen dann als Multiplikatoren in ihren Löschzügen das Gelernte weitergeben. Dazu gehört theoretischer Unterricht, zum Beispiel darüber, wie große und unübersichtliche Schadenslagen beherrscht werden können.

Aber es geht auch um technische Hilfe bei einem Unfall — mit immer neuen und moderneren Fahrzeugen. Für die benötigt man neues Wissen, um jemanden bergen zu können, ohne dass sich die Zange am gehärteten Stahl die Zähne ausbeißt oder bis dahin ungeöffnete Airbags explodieren und Wehrleute verletzten können. Trainiert wird aber auch die ureigenste Aufgabe der Wehr — das Feuerlöschen.

Im nahen Bracht finden die 15 Männer und Frauen der Niederkrüchtener Feuerwehr optimale Bedingungen auf dem Gelände des Trainings- und Kompetenzzentrums NRW (TKZ). Das ist landesweit einzigartig. Denn hier können tatsächlich realistische Einsatzszenarien nachgestellt werden. Da gibt es keine Nebelmaschinen, die einen Raum verrauchen, da ist es wirklich dunkel, heiß und verqualmt. In die Container dürfen auch nur Menschen rein, deren Fitness geprüft ist. Wer nicht eine gültige Prüfung als Atemschutzträger nachweisen kann, für den ist an der Tür Schluss.

Apropos Tür: Damit geht es an diesem Tag los. Immer wieder knien die Wehrleute vor der Tür zu dem „brennenden Haus“. Viele Dinge müssen sie berücksichtigen, um sich nicht selbst später die Arbeit zu erschweren.

Aber Rainer Engemann, in der freiwilligen Feuerwehr Löschzugführer in Niederkrüchten, im Berufsleben unter anderem freier Trainer beim TKZ, hat noch mehr vorbereitet. „Hier brennt es im Keller, unter der Treppe“, erläutert er die Situation. „Zwei Menschen werden vermisst.“ Das Feuer ist noch nicht einmal besonders groß, aber die Umstände sind mehr als schlecht für die Wehrleute: keine Kellerfenster, eine steile Treppe, völlige Dunkelheit.

Hier greift das Prinzip, dass es immer mehrere Wege zum Ziel gibt. Vorrang hat natürlich, die Menschen aus dem brennenden Gebäude zu retten. Aber auch das Löschen ist eine Herausforderung. Wenn Wasser auf Feuer trifft, entsteht Wasserdampf. Viel Wasserdampf. Dafür müssen die Wehrleute einen Abzug schaffen. Zweierteams, Viererteams — was ist besser? Erst am Feuer vorbei die Menschen suchen?

Wer gerade nicht drin ist im Container, der steht mit anderen zusammen, diskutiert Lösungsansätze. Und will unbedingt noch mal rein, das gerade Erarbeitete auch praktisch umsetzen — bevor als nächster Programmpunkt der Umgang mit einer Rauchgasdurchzündung ansteht.

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