Im Alter selbstständig bleiben

An der Hochschule beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit Systemen, die alten Menschen helfen sollen, länger in den eigenen vier Wänden bleiben zu können.

Niederrhein. Im Jahr 2035 wird Deutschland alt sein: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wird älter als 50 Jahre sein, jeder dritte sogar älter als 60. Werden die Deutschen dann ein Volk von Heimbewohnern? Nicht, wenn es nach Professor Gudrun Stockmanns geht. Sie lehrt praktische Informatik an der Hochschule Niederrhein und beschäftigt sich mit Assistenzsystemen, die es älteren Menschen ermöglichen sollen, möglichst lange selbstständig und autonom leben zu können.

Daheim statt Heim — dieser Sloga/n soll durch moderne Technologie in die Praxis umgesetzt werden. Sensoren können die Räume überwachen, Bewegungen und Tätigkeiten registrieren, können Alarm auslösen, wenn der Bewohner sich ungewohnt verhält, sich lange nicht bewegt und vielleicht Hilfe braucht. „Die jetzt verwendeten Funkfinger reichen nicht aus, um Senioren Sicherheit zu vermitteln“, erklärt Gudrun Stockmanns, die sich bereits am Fraunhofer-Institut mit Assistenzsystemen beschäftigt hat. „Sie müssen aktiviert werden. Alte Menschen schrecken davor manchmal zurück.“

Gudrun Stockmanns, Informatik-Professorin

Die Sensorüberwachung gibt selbstständig Alarm und vermittelt so Sicherheit. Natürlich ist es auch immer eine Gratwanderung zwischen Überwachung und Selbstbestimmung. Wer möchte schon jede seiner Bewegungen registriert wissen, und sei es durch professionelle Hilfsorganisationen? „Das ist eine Frage des Konzepts“, erklärt die Informatikerin. „Die Daten können in ein Ampelsystem umgesetzt werden. Bei Grün ist alles in Ordnung, bei Rot muss Hilfe geleistet werden.“

Aber die Sensoren können noch mehr: Auch die Kommunikation kann erleichtert werden. „Ich muss beispielsweise meine alte Mutter nicht mehr durch das ganze Haus hetzen, wenn ich anrufe. Wenn sie kommunikationsbereit ist und in der Nähe des Telefons sitzt, bekomme ich ein Signal und kann mich melden“, beschreibt Gudrun Stockmanns weitere Anwendungsmöglichkeiten.

Der Einsatz moderner Technik kann auch in der Pflege hilfreich sein. Die ungeliebten und zeitraubenden Dokumentationspflichten, die das Pflegepersonal heute beschäftigen, können automatisiert werden. So kann das Bett registrieren, ob ein bettlägriger Patient regelmäßig umgebettet wurde. Allerdings: Hier ist mit Widerstand zu rechnen, wenn das Pflegepersonal sich allzu stark überwacht und gegängelt fühlt. Doch Gudrun Stockmanns ist optimistisch: „Wichtig ist sicher, dass die Beschäftigten früh eingebunden werden und merken, dass sie durch die Technik viel Zeit für ihre Patienten gewinnen.“

Die Informatikerin, die vom Duisburger Fraunhofer-Institut kommt und seit knapp einem Jahr an der Hochschule Niederrhein ist, schätzt hier besonders die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Praxisorientierung. Als Mitglied des Instituts für Mustererkennung iPattern beschäftigt sie sich mit der Integration von „intelligentem“ Verhalten in Assistenzsystemen. Die Gründung des Kompetenzzentrums „Forschung für Intelligente Assistenzsysteme und Technologien“ zeige, wie gut auch der Austausch mit anderen Fachdisziplinen, wie den Wirtschaftsinformatikern funktioniere. So werden beispielsweise im Auftrag der Sozialholding Mönchengladbach Interviews mit Bewohnern des Betreuten Wohnens durchgeführt. Damit könne man Bereiche ausmachen, in denen Assistenzsysteme sinnvoll eingesetzt werden können.

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