Hilfe für Arbeitslose bei der Jobsuche

Beim Patenmodell der Diakonie wollen Menschen mit Wirtschaftserfahrung Arbeitslosen bei der Jobsuche helfen — vor allem durch Motivation.

Niederrhein. Es ist der Rücken, der Andrea Neumann Ende der 90er Jahre zu einer folgenschweren Entscheidung zwingt: Sie muss ihren Beruf als Krankenpflegehelferin aufgeben. Zu stark wird ihr Körper durch die Arbeit in einem Grefrather Altenheim belastet. Zu diesem Zeitpunkt ist sie gerade einmal Mitte 30.

Für die gebürtige Düsseldorferin, die mit ihrem Mann in Kempen lebt, kommt es nicht in Frage, sich völlig aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen. Sie sucht nach einer Alternative und findet sie: „Ich habe eine Umschulung zur Fachangestellten für Bürokommunikation gemacht — und sie als Klassenbeste mit einer Eins bestanden“, erzählt die heute 46-Jährige. Außerdem beschließt sie, ihr Englisch aufzufrischen und nimmt Einzelunterricht. Es klingt, als hätte sie alles richtig gemacht.

Im Herbst 2003 fängt sie an, sich nach Stellen umzusehen. Die Bewerbungszeit fasst sie als Berufszeit auf: „Ich wollte immer ein strukturiertes Leben behalten und nicht plötzlich lange schlafen oder den Tag vor dem Fernseher verbringen. Vor einer solchen Entwicklung hatte ich große Angst.“

Deswegen sitzt die ebenso freundliche wie selbstbewusste Frau, die erkennbar Wert auf ihr Äußeres legt, regelmäßig am Computer und klickt Jobbörsen im Internet an, liest Stellen-Anzeigen und schreibt Bewerbungen. Und schreibt und schreibt. Irgendwann hört sie auf, die ausgehende Post zu zählen.

Es kommen Durchhänger. Sie fragt sich, was sie falsch macht, was mit ihr nicht stimmt. Um wenigstens etwas Geld zu verdienen, verkauft sie als Saisonarbeiterin Erdbeeren in Krefeld-Forstwald. Hartz IV bezieht sie nicht.

Zwar gibt es das eine oder andere Gespräch mit einem potenziellen Arbeitgeber, doch ein richtiger Erfolg, also eine feste Stelle, bleibt aus. Für manches Unternehmen ist sie offenbar nicht jung genug: „Wenn ich am Telefon gesagt habe, dass ich 39 Jahre alt bin, war erst einmal Stille am anderen Ende der Leitung.“

Und gibt es endlich einmal einen Grund zur Freude, schlägt das Pech zu: 2008 etwa bekommt sie eine Stelle als Verkäuferin im Bereich Damenoberbekleidung. Doch kurz darauf wechselt der Betreiber des Geschäfts, das Personal wird reduziert. „Nach einem Monat war ich wieder raus.“ Und so dauert ihre Suche bis zum heutigen Tag.

Allerdings bekommt sie mittlerweile Unterstützung von Wilfried Ross. Der Tönisvorster ist über 70, war jahrzehntelang in hohen Positionen in der Wirtschaft tätig und ist einer von derzeit sechs aktiven Paten der Diakonie Krefeld & Viersen. Beim so genannten Patenmodell (siehe Info-Kasten) geht es darum, Menschen auf dem Weg zurück in die Arbeitswelt zu begleiten, durch regelmäßige Telefonate, Email-Kontakt und persönliche Treffen.

Bei einem Gespräch in der Diakonie-Zentrale am Krefelder Westwall betont Ross, dass die beruflich erfahrenen und ehrenamtlich tätigen Jobpaten zwar „keine Jobs in der Tasche“ hätten, doch dafür gebe es reichlich Motivation.

„Beim ersten Treffen ist das Wichtigste, Kraft zu geben. Der Suchende soll denken: ,Mensch, das könnte ein neuer Anfang sein’.“ Andrea Neumann neben ihm nickt heftig und sagt: „Und genau das denkt man auch.“ In der Betreffzeile einer Email an das „Patenkind“ kann dann auch schon mal ein aufmunternder Spruch wie „Kopf hoch, Mädchen!“ stehen.

Wilfried Ross will vor allem dabei helfen, sich den Unternehmen möglichst interessant zu präsentieren. Dazu gehört für ihn auch, „die Löcher und Schwächen im Lebenslauf“ nicht zu vertuschen, sondern vielmehr zu erklären.

„Wenn ein etwas anders formulierter Brief als üblich zum Erfolg führt, ist es doch gut.“ Auch sein Paten-Kollege Werner Schumacher (67) aus Meerbusch, der als Personalchef in der Industrie gearbeitet hat, sagt: „Man muss Interesse wecken und sich anders als die anderen darstellen.“

Das Ehrenamt ist nicht immer leicht. Während Wilfried Ross im Fall von Andrea Neumann überhaupt nicht verstehen kann, warum sie trotz ihrer Fähigkeiten und ihres Engagements noch immer ohne Stelle ist, hatte er bei manchen Menschen ohne Arbeit Zweifel, ob sie überhaupt vermittelbar sind: „Am Anfang war das Schlimmste für mich, dass ich Leute, die ich unterstützen sollte, selbst nicht eingestellt hätte.“ Im Laufe der Zeit habe er aber gemerkt, dass es genau diese Fälle seien, denen man helfen müsse — „dann ist es sozial“.

Seit vier Jahren ist er nun schon Pate und hatte mit fast 80 Arbeitssuchenden Kontakt. Es gab Misserfolge, aber auch viele Jobvermittlungen. Er sagt, dass seine Klienten es vor allem selbst wollen müssten. „Ich halte ihnen nur ein kleines Steigbügelchen.“

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